akLogo  ak - analyse & kritik, Zeitung für linke Debatte und Praxis, Zeitung für linke Debatte und Praxis / Nr. 361 / 15.12.1993

Freak Out - Ein Leben im Widerspruch

Das Phänomen des guten, toten Bürgerschrecks - oder:
Warum es doch notwendig ist, einiges über Frank Zappa zu sagen

Die Trauerarbeitsmaschine läuft wie geschmiert. Von taz bis Bild ehren und gedenken die Feuilletonisten der "Übermutter" des amerikanischen Undergrounds, Frank Zappa.

Er starb am 4. Dezember in Hollywood, kurz vor der Vollendung seines 53. Lebensjahres an einem langjährigen Krebsleiden. Dank Bild wissen wir auch genau wie. Genüßlich läßt das Blatt sich über die Sterbeszene aus und verbreitet geschmacklose Details seiner Krankheitsgeschichte. Der Artikel endet mit einem angeblichen Zitat seiner Frau: "Frank ist auf seine letzte Tournee gegangen." Soviel Wehmut für einen Künstler, den Bild in seinen wirklich wilden Tagen eher als "armen Irren" bezeichnet hätte (oder hat), ist schon verblüffend. Aber, wie die taz feststellte: "Nur ein toter Bürgerschreck ist ein guter Bürgerschreck."

Zappa hatte sich allerdings schon längst zum seriösen Musiker und Komponisten gewandelt. Seit den 80ern beschäftigte er sich zunehmend mit moderner E-Musik, komponierte elektronische Werke unter dem Pseudonym Francesco Zappa und schaffte es 1988 mit seiner Platte "Jazz From Hell", einen Grammy zu ergattern. Auch sein letztes Werk, "Yellow Shark", das er zusammen mit dem renommierten "Ensemble Modern" einspielte, ist reine E-Musik und eher witzig als schockierend. Die Uraufführung in Frankfurt im Sommer letzten Jahres war Zappas letzter öffentlicher Auftritt. Die geplante Konzerttour mit dem "Ensemble Modern" mußte wegen seiner fortgeschrittenen Krankheit ausfallen. Im CD-Booklet zu "Yellow Shark" freut sich das Siemens-Kulturprogramm, "solch ein außergewöhnliches Ereignis der zeitgenössischen Musik" unterstützen zu können. Vielleicht hat er den Bild-Nachruf ja doch verdient, bei solch honorigen Gönnern?

Der Zappa, dem es hier nachzurufen gilt, ist der frühe Zappa, als er noch mit den "Mothers of Invention" hemmungslos sämtliche Popkonventionen auf den Kopf oder auch auf die Füße stellte. Es ist auch völlig überflüssig, den hektischen Sondersendungen und Huldigungs-Nachrufen, in denen schon mal hemmungslos die Unsterblichkeit bemüht wurde, noch ein weiteres Loblied hinzuzufügen. Für mich ergibt sich, getreu dem Motto "Kill Your Idols" (oder laß sie gar nicht erst zu welchen werden), eine andere Herangehensweise.

Interessanter ist zu beleuchten, welchen Einfluß Zappas Kulturverständnis auf die verschiedenen Szenen hatte und bis heute hat.

Meinen eigenen Erstkontakt mit der Musik von Frank Zappa und den Mothers hatte ich Mitte der 70er in der DDR. In meinem Freundeskreis wurde fleißig Blues gehört, um den Anfechtungen des "realsozialistischen" Alltags mit der nötigen Wehmut gerecht zu werden. Punk war noch weitestgehend unbekannt oder wurde als "Lärm" verkannt. Da platzte die erste Zappa-Scheibe wie eine Bombe in unser musikalisches Grundverständnis. Eine Band, die so wild aussah und eine Musik spielte, die von wilden Breaks und Stilwechseln durchsetzt war, veränderte mit der Zeit meine Hörgewohnheiten gründlich. Die Tatsache, daß sich die Mothers als Underground bezeichneten, gab dem Ganzen noch einen subversiven Touch. Leider konnte die DDR-Staatsmacht durch geschicktes Taktieren die Entstehung einer kreativen Gegenkultur verhindern (bis der Punk die DDR einholte). Ganz anders dagegen die Entwicklung in benachbarten Ostblockstaaten.

Die kurze Phase des "Prager Frühlings" 1968 brachte auch eine "Infizierung" der Jugend mit dem rebellischen Geist der emanzipatorischen Bewegungen, die die westliche Welt erschütterten. Zu dieser Zeit machte in Prag eine Band mit dem Namen "The Plastic People Of The Universe" von sich reden. Das Projekt um den Lyriker Egon Bondy hatte sich ganz bewußt nach einem Stück der Mothers-Platte "Absolutely Free" benannt. In ihren wilden Performances bezogen sie, ganz wie ihre Vorbilder, Elemente von Dichtung, Theater und Satire mit ein. Neben Zappa waren sie auch von den Anarcho-Hippies "The Fugs" und von "Velvet Underground" beeinflußt. Der Prager Frühling wich bekannterweise einem "Normalisierungs-Winter" und der kulturelle Underground wurde zum realen politischen Untergrund.

Als 1977 wieder einmal fast die gesamte Plastic-People-Mannschaft (und ihr künstlerisches Umfeld) vor Gericht standen, führte dies nicht nur zu massiven Protesten im Ausland (Solidaritätskonzerte mit Zappa und Beefheart), sondern auch zur Gründung der Bürgerrechtsbewegung "Charta 77".

Die CIA nutzte die Verbotssituation geschickt und belieferte die Szene über "Radio Liberty" und "Radio Free Europe" mit illegaler tschechischer Kultur und den "Werten des Freien Westens". Es verwundert also nicht, daß die ex-subkulturelle Beraterriege des jetzigen Präsidenten und Mothers-Fan Vaclav Havel nach der "Revolution" ausgerechnet Frank Zappa zum "Kulturbotschafter" zwischen der Tschechoslowakei und den USA ernannte. Der Zeitpunkt war gut gewählt, hatte doch Frank Zappa gerade zu jener Zeit Ambitionen auf das Amt des Präsidenten der Vereinigten Staaten geäußert.

Natürlich war er inzwischen längst von den radikalen Kinderkrankheiten geheilt und zum überzeugten und bekennenden Kapitalisten mutiert. Vergessen waren die Zeiten, als er noch verkündet hatte: "Kein Akkord ist häßlich genug, um all die Scheußlichkeiten zu kommentieren, die von der Regierung in unserem Namen verübt werden." Mit dem blauäugigen Amerika-Freund und Ex-Dissidenten Vaclav Havel und dem "praktischen Konservativen" Zappa (seine Selbsteinschätzung) wuchs zusammen, was zusammen gehört. Präsident der Vereinigten Staaten ist Frank Zappa nun doch nicht geworden, und Havel hätte auch lieber bei seiner Schriftstellerei bleiben sollen.

Ohne alle Ironie bleibt aber festzustellen, daß Zappas Musik einen nachhaltigen Einfluß auf die unangepaßte Musikszene im Ostblock hatte, der bis heute anhält.

Auch im Westen gab es ein reges Interesse für die Provokationen und die Musik von Frank Zappa. Die Linke lehnte ihn als zu wenig links und zu wenig konsequent ab, aber die Alternativszene bemächtigte sich sehr schnell des Zappa-Kultes. Sein Klo-Plakat hing in jeder Wohngemeinschaft im Badezimmer, während Che Guevara die Gemeinschaftsküche zierte. Hinlänglich bekannt sind auch die obligatorischen Zappa-Aufkleber an der ersten eigenen Ente.

Aufgrund der schnellebigen Trends in der Musikindustrie, in der Zappas Musik nur eine Spielart von vielen war, schwand der direkte musikalische Einfluß ziemlich schnell dahin. Geblieben ist der Mythos. Er lebt weiter durch besagte Ikonen oder durch die unermüdlichen Zappa-Platten- und Schriftgelehrten, die sämtliche Platten (inzwischen auch als CDs) ordnungsgemäß in ihren Regalen abgelagert haben und sich jetzt nicht entscheiden können, ob sie noch die teuren und schlechten Bootlegs kaufen oder auf die spezielle Edition zurückgreifen sollen, in der Zappa unveröffentlichtes Konzertmaterial anbot.

Diese Art von Fans ist verblüffenderweise nur noch selten für neue innovative Musik zu begeistern, auch wenn diese in der Tradition ihres "Forschungsobjektes" angesiedelt ist.

Eine westdeutsche Band, die sich sehr offen auf frühe Zappa-Musik bezog, war "Checkpoint Charlie". Sie verband bissigen Politrock mit wundervoll schräger Musik und war damit allemal spannender als die bekannteren "Ton Steine Scherben". Aber auch das "Sogenannte Linksradikale Blasorchester" war vom Zappa-Sound angetan. Von ihm stammt das hervorragende Zappa-Cover "Ich bin nunmal die Kotze aus deiner Glotze".

Zu dieser Zeit glaubte Heiner Goebbels noch an die politisierende und emanzipatorische Wirkung von Musik. Heute übt er sich in verschlüsselten Botschaften und aufwendigen Inszenierungen. Aber mit seiner Hinwendung zur apolitischen E-Musik ist er ja auf derselben Schiene wie Frank Zappa.

Das alles soll uns aber nicht den Spaß verderben, den alten Zappa-Scheiben heute immer noch bereiten. Je älter sie sind, desto weniger sind sie dem damaligen Zeitgeist angepaßt und deshalb auch nicht überholt. Werke wie "Freak Out" oder "Absolutely Free" verblüffen noch immer durch ihre Kompromißlosigkeit und vielschichtigen Arrangements, die ihrer Zeit um Jahre voraus waren.

Auch die Zusammenarbeit mit Don Van Vliet, besser bekannt als Captain Beefheart, war ein Meilenstein der Rockgeschichte. Später, als die Gitarrensoli des "Meisters" immer länger wurden, verlor das Projekt Zappa immer mehr an Biß.

Seit einigen Jahren gibt es auch in den USA wieder interessante Projekte, die sich explizit auf alten Mothers-Stoff beziehen, ohne von der Musikpresse zur Kenntnis genommen zu werden. Der Kalifornier Zoogz Rift und das texanische Rudy Schwartz Projekt sind dabei besonders interessant. Aber sie werden auch weiterhin unbekannt bleiben, denn nicht jeder versteht es, sich so gut zu vermarkten wie Frank Zappa.

Kay Osterloh, Nürnberg


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