akLogo  ak - analyse & kritik, Zeitung für linke Debatte und Praxis, Zeitung für linke Debatte und Praxis / Nr. 441 / 31.08.2000

Enteignet die Plattenindustrie

Napster, GNUtella und das Ende der Musik?

Vor wenigen Wochen ging es sogar durch die bundesdeutsche Presse. Mit viel juristischem Einsatz klagten Vertreter der amerikanischen Plattenindustrie gegen die Betreiber von Napster, einer Internetkommunikationssoftware, die NutzerInnen weltweit zu einem einzigen Zweck verbindet: Den Austausch von Musik-Dateien im MP3-Format. Programme wie diese lassen die Musikindustrie nicht nur in den USA zittern. In Kampagnen auch hier zu Lande klagen sie über das "Ende der Musik". Kann das sein?

Napster ist ein inzwischen Millionenschweres Unternehmen zweier junger Amerikaner im zarten Alter von 19 Jahren. Ihr Faibel für Musik haben die beiden konsequent umgesetzt. Sie programmierten ein recht kleines Programm, dass nichts anderes tut, als InternetnutzerInnen bei ihrer Suche nach Musik zu unterstützen. Einmal installiert schaltet es sich über den Server von napster.com ins Netz. Dann erschließt sich eine wahre Fundgrube von Musik aus den letzten Jahrzehnten. Fast nichts, was es im Internet bzw. auf den Computern der angeschlossenen TeilnehmerInnen nicht zu finden gibt. Auch komplette CDs lassen sich runter laden, egal ob sie brandneu oder schon vor zwanzig Jahren erschienen sind. Zwar ist es angesichts von ISDN-Geschwindigkeiten immer noch ein wenig nervenaufreibend, bis die pro Musikstück 4 - 7 Megabyte großen Files herunter geladen sind. Aber am Ende hat man eben die Mucke auf dem Rechner!

Napster ist bei weitem nicht der einzige Anbieter einer solchen Suchfunktion oder auch Dienstleistung. Aber Napster hat im Gegensatz zu anderen Suchprogrammen wie z.B. GNUtella eine entscheidende Schwachstelle, die für die amerikanische Musikindustrie mit Unterstützung so namhafter Bands wie Metallica Anlass war, dagegen vorzugehen. Denn das Programm von Napster läuft über den zentralen Server des Unternehmens. Über diesen Server werden die Suchanfragen und die downloads abgewickelt - ohne ihn keine Musikdaten. Demgegenüber funktionieren Programme wie GNUtella auf dezentraler Ebene, und sind damit kaum angreifbar. Bei Napster kann man gegen das Unternehmen bzw. gegen den Server vorgehen, ihn schließen lassen und das Austauschsystem bricht zusammen - die NutzerInnen haben keine Chance mehr, ihre Daten auszutauschen.

Anders hingegen funktioniert ein System wie GNUtella, einem Programm, dessen Ursprung auf AOL zurück geht. Doch bevor AOL das Ding zu Ende entwickelt hatte, haben offenbar am Projekt beteiligte EntwicklerInnen den Code des Programmes im Internet veröffentlicht. Und dann ging die Post auch schon ab. GNUtella braucht lediglich die Adresse einer weiteren online befindlichen GNUtella-NutzerIn. Diese Daten lassen sich mühelos auf diversen Seiten des World Wide Webs finden. Von dort kopiert man sie sich in das eigene Programm, - und schon ist man drin. Da die NutzerIn, bei der man sich gerade eingeloggt hat, wiederum mit eineR anderen in Verbindung steht, baut sich so ein Netz auf, in dem dann die Suchanfragen quer durch das Netz laufen und sämtliche beteiligte Rechner durchsucht werden können. Steigt eine NutzerIn aus, bleibt das Netz bestehen. Hier gibt es keine zentrale Schaltstelle wie bei Napster.

Und dieser wesentliche Unterschied veranlasste die US-amerikanische Musikindustrie dazu, sich Napster als Gegner auszusuchen. Denn klar ist, dass der Kampf gegen Millionen einzelner NutzerInnen von dezentralen Einrichtungen wie GNUtella kaum zu bewältigen sein dürfte.

Programme wie Napster stellen die gesamte Musikindustrie in Frage und drohen, das Urheberrecht völlig aus den Angeln zu heben. Vom Prinzip her braucht es ja nur noch eine einzige gekaufte CD, die dann über ein solches Programm weltweit angeboten werden kann. Einmal in MP3-Files umgewandelt kann sie dann ohne jede weitere Einnahme für die Plattenindustrie - aber auch für die KünstlerInnen - millionenfach mit bester CD-Qualität vervielfacht werden. Das hat nicht unbedingt was mit dem Ende der Musik zu tun, wie es auch die hiesige Industrie seit einem Jahr landauf landab behauptet. Es ließe sich sogar als Chance für die vielen kleinen Bands begreifen, die auf diesem Weg ihre Musik ohne weiteres weltweit verteilen können.

Für die Musikindustrie scheint das Internet, der CD-Brenner und MP3 sowas wie die Drohung einer Enteignung darzustellen. Das mag nicht ganz falsch sein, wenn man bedenkt, dass die technische Entwicklung, die wir zur Zeit im Internet erleben, gerade erst am Anfang steht. Klar ist auch, dass die Musikindustrie mit Kopierschutztechniken das Problem nicht in Griff bekommen wird. Das erste, was neben dem Versuch einer massiven Kriminalisierung stattfinden wird, ist vermutlich das für die KonsumentInnen interessanteste: Die Preise für CDs dürften in den nächsten Jahren deutlich sinken. Wenn sich in den nächsten zwei, drei Jahren die Internet-Standleitung vermutlich zu einer weit verbreiteten Einrichtung mausern wird, dürften sich die Preise für CDs vermutlich stärker an diesen Kosten orientieren müssen.

Doch gemach: auch als die ersten Tonbänder und Cassettenrekorder auftauchten, gab es in der Musikindustrie das Geschrei vom Ende der Musik. Heute sind Cassetten so selbstverständlich, dass darüber kein einziges Wort mehr verloren wird. Zwar bietet das Internet und MP3 einiges mehr, als mit dem Cassettenrekorder zu machen war. Doch das Ende der Musikindustrie dürfte daraus vermutlich nicht zu folgern sein.

So soll es bereits Untersuchungen geben, nach denen die NutzerInnen von Napster im Durchschnitt deutlich mehr CDs kaufen als andere MusikhörerInnen. Stimmt das, so würde das eigentlich zur Beruhigung der Industrie beitragen müssen. Sinkende Preise für CDs dürften einen solchen Trend dann vermutlich eher noch verstärken. Also: No Panick?

Die Musikindustrie ist in Sachen Napster denn auch gar nicht so sehr gegen das Vertriebssystem als solches. Sie will lediglich daran mitverdienen. Und das ist auch für Napster der Ausweg, bevor es im September zu einer definitiven Entscheidung US-amerikanischer Gerichte in Sachen Schließung des Servers kommt. Werbeeinblendungen, deren Erlöse nicht mehr nur wie bisher Napster zugute kommen, sondern auch der Musikindustrie - und schon dürfte das Geschrei leiser werden. Alles was es dazu braucht, ist ein leicht umgestricktes Programm von Napster, in dem während des Downloads Werbebanner eingeblendet werden - und schon könnte der Streit in geordnete Bannen überführt werden. Eine Lösung, von der beiden Interessenten etwas hätten.

Doch damit wäre lediglich das Problem Napster gelöst. Die andere Variante, wie derzeit z.B. in der Bundesrepublik versucht wird, das Problem Urheberschutz in den Griff zu bekommen, sind Gebühren auf den Computer bzw. Teile davon. Die Bundesregierung berät derzeit, inwieweit ISDN-Karten oder andere Einzelteile des Computers mit einer Gebühr belastet werden, die von den Herstellern an Einrichtungen wie die GEMA oder die VG Wort abgeführt werden müssen. Die Industrie ist darüber keineswegs froh, trägt es doch zur Verteuerung ihrer Produkte bei. Sicher ist aber, dass es eine solche Abgabe auf CD-Rohlinge geben wird. Auf diese Weise wären die Vergütungen für die UrheberInnen, also die Künstler, Schriftsteller etc. gesichert.

In jedem Fall lohnt es sich, natürlich nur zu Informationszwecken, bei napster.com mal vorbeizuschauen. GNUtella und andere dezentrale MP3-Tauschbörsen können mit jedem Suchdienst angesteuert werden. Der Download und die Handhabung der meist kleinen Programme dürfte selbst für Computerlaien einigermaßen leicht sein.

DSe


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