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akLogo   ak - analyse & kritik, Zeitung für linke Debatte und Praxis / Nr. 449 / 12.04.2001

Jodeln und mehr

Zabine legt Debüt-CD transalpin vor

Schon die Beatles hatten versucht, mit dem Einlassen auf indische Meditation und der Übernahme von fernöstlichen Religionsversatzstücken einen kreativen Schub zu bekommen. Anfang der achtziger Jahre waren es vor allem Popmusiker aus Großbritannien, die durch die Hinzunahme afrikanischer Musik ihren Produktionen neue Impulse gaben. Erinnert sei nur an Peter Gabriel mit Biko und Manfred Mann mit der LP Somewhere in Africa. Beide verknüpften ihre Musik mit dem Protest gegen das Apartheitsregime in der Republik Südafrika. Seitdem sind die Einflüsse der sogenannten Weltmusik aus der Popkultur nicht mehr wegzudenken. In der Bundesrepublik Deutschland waren es vor allem die Dissidenten, die den Ethnopop dem Publikum näher brachten.

Kann dies nun als eine popkulturelle Variante der Globalisierung bezeichnet werden? Oder ist dies die Verwurstung verschiedener kultureller Identitäten zu einem eurozentristischen Musikbrei? Das Album Graceland von Paul Simon steht für die Bejahung beider Fragen.

Lässt sich Volksmusik in Deutschland und Österreich mit Welteinflüssen verknüpfen? Zappt man durch die diversen Fernsehsender mit der ständigen Wiedergabe von volkstümlichem Liedgut, dann weiß man, wo es längs geht. Heutzutage kann mit deutscher Volksmusik nicht mehr so umgegangen werden wie zu Zeiten, als Degenhardt, Mey, Hein und Oss auf der Burg Waldeck die fortschrittlichen Wurzeln der Volksmusik auskramten. Volksmusik ohne Volkstümelei?

Ein gewagter Spagat, sicherlich. Sabine Kapfinger, früher eine der Alpinkatzen bei Hubert von Goisern, hat dies mit ihrer ersten Solo CD transalpin getan, ohne dass sie mit dieser Zielsetzung an die CD herangegangen wäre. Wie die Tirolerin sagt, ist sie durch die Erfahrungen geprägt, wie sie als Fremde in aller Welt aufgenommen wurde und wie demgegenüber in ihrer österreichischen Heimat mit Fremden umgegangen wird. Als "Pfadfinderin zwischen Musikalitäten und realer Welt" hat sie versucht, zusammen mit ihrem Produzenten Alfred Jaklitsch verschiedene Einflüsse ihrer Reisen mit dem Jodeln zu verknüpfen. Das musikalische Netz, das dabei herausgekommen ist, wirkt manchmal etwas rau, oft verträumt, aber immer stimmig.

Während die westliche Konsum- und Popkultur wie eine Welle über uns hinwegrollt, ergibt sich in der Musik von Zabine, wie Sabine Kapfinger sich auf ihrer Debut-CD nennt, eine Unterströmung, die in die entgegensetzte Richtung zieht, und dabei erfreulich erfrischend ist. An die 500 Satelliten, verknüpft mit der entsprechenden Kulturpolitik bei den regionalen Sendern, sorgen dafür, dass die gleichen Soaps in Delhi, Berlin, NYC oder Dakar gesehen werden. Dass im Senegal eher eine Dokumentation über die französische Landwirtschaft im TV zu bewundern ist als eine entsprechende über die senegalesische, zeugt von der Dominanz der katholisch-protestantischen Kultur Westeuropas, Nordamerikas und Australiens. Eine Kulturentwicklung, die kulturelle Vielfalt einbetoniert und an der die Vermarktung der spannendste Teil ist.

Zabine setzt dem zum Beispiel in Aussi den Augenblick entgegen, in der die Reisende nach Hause kommt und sich in der Verarbeitung der vielfältigen Eindrücke ihrer Reise wünscht, zum Baum zu werden, der einfach dasteht und geschehen lässt. Dies aber wiederum auf der Grundlage von funkigen, afrikanisch klingenden Beats, die die Unmöglichkeit des Wunsches unterstreichen und in der das Jodeln dann zum Schrei nach Orientierung wird. Die CD erinnert an die Geschichte des sizilianischen Akkordeons, erzählt von E. Annie Proulx, das, 1890 gefertigt in den USA, von den verschiedensten Immigranten gespielt wird. Jeder hält in dem Spiel seine eigene Kultur lebendig, doch alle zusammen lassen etwas Neues entstehen. Bei Zabine erinnern die verschiedenen Einflüsse an ihren jeweiligen Ursprung, werden aber zu einem neuen Ganzen. So bekommt beispielsweise der Einsatz von Rummelplatzorgel-Rhythmen bei dem Stück Himmi eine völlig neue Deutung.

In ersten Veröffentlichungen wurde Zabine bereits als österreichische Björk gefeiert. Sie selbst empfindet das schon als Kompliment, auch wenn ihr Björk nicht als Vorbild diente und sie nicht "so krass unterwegs" sein möchte. Obwohl sie einschränkend bemerkt, dass ihr Lied Hex schon sehr krass ist. Nun wird ja Björk in Island nahezu als lebende Kulturikone verehrt, damit muss Zabine derzeit in Österreich zum Glück nicht rechnen, denn die Musik auf transalpin kann als Absage an all das interpretiert werden, was im Umfeld der FPÖ als Kulturpolitik gewollt wird. Sabine Kapfinger freut es, wenn ihre Musik auch in diesem Sinne verstanden wird. Etwas verstört bin ich, als sie mir vor dem Konzert im Roten Salon der Volksbühne in Berlin erzählt, dass die Musik live noch erdiger klänge als auf der CD. Nachdem sie den Titelsong als Opener mit ihrer Band präsentiert hat, ist die Verstörung komplett verflogen: Nur, wer wird als Westfale "rockiger" schon mit "erdiger" übersetzen.

Während sie im Gespräch zurückhaltend, ja fast schon schüchtern wirkt, ist sie dann auf der Bühne mächtig und präsent. Ihre Musik strahlt eine Authentizität aus, die bei einer solchen Vielfalt an Stilen kaum zu erwarten ist. Besonders deutlich kam diese bei dem sehr intimen Lied über ihren verstorbenen Opa zum Tragen. Sicherlich wird nur ein Bruchteil des Publikums den Text auf Anhieb verstanden haben, dennoch blieb es nach dem letzten Ton für einen Augenblick still, ehe der Applaus einsetzte. Die Musik und vor allem ihre Stimme waren so intensiv, dass das Anliegen auch ohne Verständnis der Worte deutlich rüberkam.

Wenn man Pete Seeger glauben kann, sind die Apachen und die Tiroler die einzigen auf der Erde, die das Jodeln pflegen. Dass diese Art des Singens so in Misskredit gekommen ist, können wir den Apachen nicht vorwerfen. Zabine wird es sicherlich nicht gelingen, die Dominanz der völkischen Jodler zu brechen. Aber ihr Verdienst ist es allemal, den Beweis erbracht zu haben, dass das Jodeln auch erfrischend unvölkisch genutzt werden kann.

Tommy Schroedter

Zabine, transalpin, erschienen bei Lawiene/Virgin


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