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akLogo   ak - analyse & kritik, Zeitung für linke Debatte und Praxis / Nr. 450 / 10.05.2001

Who the fuck is Robert Zimmermann?

Bob Dylan zum Sechzigsten

Da steht einer, der bedeutenden Anteil an den Liedern deiner Jugend hatte, vor vierhunderttausend Fans etwas behäbig auf der Bühne und dahinter thront eine der Hasspersonen deiner Jugend und hat das Spektakel auch noch bezahlt. Verkehrte Welt?

Knocking on heavens door" ist das erste Lied, das Bob Dylan dem Papst vorspielt. Keine Miene verzieht das Oberhaupt der katholischen Kirche. Nicht "With god on our side" folgt, sondern das düster apokalyptische "Hard Rain". Der Papst runzelt die Stirn. Doch es kommt zu keinem Skandal, die Kirche ist zufrieden. Dylan auch, die gegenseitige Promotion ist gelungen. Das war 1997, und die Geister stritten sich schon seit ein paar Jahren über den politischen Gehalt von Popmusik.

Bob Dylan, der Ende Mai das sechzigste Lebensjahr vollendet, ist sicherlich einer derjenigen, die maßgeblich dazu beigetragen haben, dass sich überhaupt so etwas entwickelte, wie ein "politisch fortschrittlicher Subtext" von Popmusik. Am 24. Mai 1941 wurde Robert Allen Zimmermann als Sohn einer jüdischen Familie in Duluth Minnesota geboren. Ins High-School-Jahrbuch schrieb er später einmal als Berufswunsch: "Mitglied der Band von Little Richard". Damit ist bereits eine Quelle seiner Musik ausgemacht: Der Rock'n'Roll.

Die zweite kam an der Universität von Minnesota dazu, an der er sich noch als Robert Zimmermann einschrieb. Im Roman "Donna und Jill" beschreibt Marge Piercy eindrucksvoll, welchen Stellenwert die Folk Musik unter den Studierenden Ende der fünfziger Jahre in den USA hatte.

Einer der Großen dieses Genres, Woody Guthrie, wurde zum "letzten Idol" Bob Dylans, wie er sich seit seinen ersten Auftritten nannte. Ein Besuch des schon todkranken Woody Guthrie, bei dem Dylan seine Kunst vorführen durfte, kommentierte Guthrie in der von ihm gewohnt liebevoll ironischen Art: "Seine Texte sind vielleicht nicht so gut, aber singen kann er." Das Unverständnis dieser Ironie mag die Plattenfirma Columbia, bei der Bob Dylan seit 1963 seine Produktionen veröffentlicht, dazu bewegt haben, die Platte "Selfportait" 1970 mit dem Aufkleber "no one sings Dylan better than Dylan" zu versehen. Eine Platte die von der Kritik völlig zu Recht mit dem Prädikat "Bob Dylan meets Schlager" tituliert wurde.

Aber das war es genau, was den Komponisten, Liedermacher und Rockmusiker Dylan ausmachte. Er saugte die populäre Musik seiner Zeit auf, versah sie mit dem damals angesagten politischen Protest, formulierte die Musik um und heraus kam: Popmusik. Den politischen Protest der US-amerikanischen Folkmusik von Woody Guthrie, Joan Baez, Pete Seeger und Phil Ochs verband er mit dem kulturellen Protest von Little Richard, Elvis Presley und anderen. Dabei lies er Blues und auch Gospel als Elemente einfließen, die sich aus dem zivilen Aufbegehren der Afroamerikaner und ihrer Forderung nach der Durchsetzung gleicher Rechte speisten. Mit seinen Texten nahm er die Bewegung auf, die sich an den US-amerikanischen Hochschulen gegen die Repression in der McCarthy Ära, gegen den Krieg in Korea und in Vietnam entwickelte.

Seine Lyrik packte er in Melodien, die geradezu danach schrien, von einer Generation die gegen diese Kriege und die Ungerechtigkeit aufbegehrte, an Lagerfeuern gesungen zu werden. Wie hasste ich "blowing in the wind." genau dafür, dass es später immer von Vanilletee trinkenden und in Saritücher eingepackten Gitarrenspielern angestimmt wurde.

Erst 1991 trug Neil Young in der Frankfurter Festhalle dieses Lied in einer Form vor, die es zu seinen Ursprüngen zurückbrachte und von jedem Geruch nach Räucherstäbchen befreite. Vor dem Hintergrund von Sirenen, Flugzeuggeräuschen und Bombeneinschlägen, spielte Young die Gitarre wie in der Filmmusik zu "Dead man". Jede Note wurde quasi herausgequält. Er transformierte den rebellischen Charakter des Liedes in die Zeiten des Krieges der NATO gegen den Irak.

Staubsauger seiner Zeit

Es waren Interpreten wie Neil Young, die das Rebellische der Lieder wieder zum Vorschein brachten. Dennoch hat Bob Dylan, ähnlich wie die Beatles (die er bezeichnender Weise zum Marihuana-Rauchen verführt haben soll) Eckpunkte gesetzt. Popmusik und emanzipative Gesellschaftskritik wurde für eine ganze Jugendgeneration miteinander verbunden. Anfang der sechziger stellte die Medienindustrie die dafür notwendigen Produkte bereit. Die Vinylplatte ließ gegenüber der Schellackplatte über drei Minuten lange Stücke zu. Langspielplatten wurden für einen größeren Kreis erschwinglich. Der Streit der Chronisten, wer für den ersten Videoclip verantwortlich zeichnet, die Beatles oder Bob Dylan, verweist auf die Bedeutung dieser Popikonen. Gesichert ist, dass Bob Dylan mit "blonde on blonde" die erste Doppel-LP der Plattengeschichte veröffentlichte.

Viele seiner Lieder wurden erst durch andere Interpreten berühmt. So hatten die Byrds unter anderem mit "Mr. Tambourine man" schon einen Nr. 1 Hit, lange bevor Bob Dylan es 1966 mit "Like a Rollling stone" selber schaffte. "All along the watchtower" wurde in der Fassung von Jimi Hendrix berühmt und "Mighty Quinn" in der von Manfred Mann. Dass "Maggies Farm" auch in Punk-Kreisen der frühen achtziger Eingang fand, hat Dylan Frau Thatcher zu verdanken. Dies Lied ist typisch dafür, wie Dylan aus einem klassischen Folksong ein rebellisches Poplied machte: 1961 sang Dylan oft "Hard Times in the Country", einen ländlichen Protestsong über das harte Leben eines Pächters mit einem ausbeuterischen Grundherrn. Dieser Song ging auf Pete Seegers "PennyS Farm", von 1950 zurück. Seegers George Penny war das Gemeinste an Grundherr, was je frei herumlief.

Nach und nach verband Dylan die beiden Lieder, schrieb einen neuen Text, eine neue Melodie, und es entstand "MaggieS Farm". Er hatte sehr früh begriffen, dass Gesellschaftskritik viele Gewänder tragen kann. Der Song ist eine Verurteilung aller sinnlosen Arbeit. Für Dylans Stil damals ein Titel mit außergewöhnlicher Härte. Hell liegt seine Stimme über der Band, die eine simple R & B-Struktur zum Schwingen bringt. Macht sich der/die Hörende zuerst über die Probleme des Erzählers eher lustig, so wird bald klar, dass wir alle auf irgendwessen Farm arbeiten. Und es waren Rage Against the Maschine, die im letzten Jahr diesen Song wieder mit provozierendem Leben versahen.

Hochgelobte leben länger

1991, während des Krieges gegen den Irak, bringt es Bob Dylan immerhin während der Grammy Verleihung zu einer der besten Live-Fassungen von "Masters of war". Bei der Amtseinführung von Clinton 1993 gibt er dann allerdings eine fürchterliche Vorstellung mit "Chimes of Freedom". 1997 spielt er Wojtyla drei Liedchen vor, der daraufhin versuchte, seine Fassung von "blowing in the wind" vorzutragen. Im Jahre 2000 überreicht ihm Schwedenkönig Carl Gustav den schwedischen Musikpreis, es folgen 2001 der Golden Globe und der Oskar für die beste Filmmusik. Doch auch diese Ehrungen können die Verdienste Bob Dylans um die progressive Pop Musik nicht schmälern.

Zur Feier des Geburtstages von Bob Dylan am Schluss noch eine Erinnerung an einen seiner frühen musikalischen Weggefährten, der sich vor 25 Jahren, am 8. April 1976, das Leben nahm. Phil Ochs, dessen Texte politisch radikaler als die von Dylan waren, konnte unbestrittenermaßen auch noch besser singen. Popmusik zu machen hat er nie versucht. Mit "Love ME I'M a liberal" schrieb er allerdings eine Hymne für die Grünen, lange bevor es sie gab. Wer die Stimmung der sechziger im Spiegel seiner Folksongs hören möchte, dem sei die CD "There but for Fortune" von Phil Ochs empfohlen.

Tommy Schroedter


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