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akLogo   ak - analyse & kritik, Zeitung für linke Debatte und Praxis / Nr. 453 / 30.08.2001

Kommunist, Sänger und Schauspieler

Ernst-Busch-Edition auf CD erschienen

Heimlicher Aufmarsch (2. Strophe)

Sprechgesang: Arbeiter horch, sie ziehen ins Feld

und schreien "Für Nation und Rasse"

Das ist der Krieg der Herrscher der Welt

gegen die Arbeiterklasse;

denn der Angriff gegen die Sowjetunion

ist der Stoß ins Herz der Revolution,

und der Krieg, der jetzt durch die Länder geht

ist der Krieg gegen Dich, Prolet!

Chor: Arbeiter, Bauern nehmt die Gewehre,

nehmt die Gewehre zur Hand!

Zerschlagt die faschistischen Räuberheere,

setzt alle Herzen in Brand.

Pflanzt eure roten Banner der Arbeit

auf jeden Acker, auf jede Fabrik.

Dann steigt aus den Trümmern

der alten Gesellschaft

die sozialistische Weltrepublik!

(Text: Erich Weinert; Musik: Hanns Eisler; Gesang: Ernst Busch; entstanden Herbst 1930)

Dieses klassische Kampflied, das im nachhinein von geradezu prophetischer Aussagekraft war, ist ein Busch-Lied par excellence: Zunächst der fast stakkatohafte Sprechgesang, der von Eisler mit einer ebensolchen Streicherpartie unterlegt wurde, dann der aufbrausende Chor. All das wird durch Buschs metallisch scharfe Stimme akzentuiert, deren Wirkung der Dramatiker Heiner Kipphardt so erlebte:

"Ich lernte Ernst Busch in einem Schlammloch der russischen Front kennen, 1943, nachts auf dem Rückzug der geschlagenen faschistischen Armeen durch die Ukraine. (...) Aus einem Lautsprecher eines Propagandatrupps der Roten Armee kam ein Lied von einer abgespielten Schallplatte über schrille Lautsprecher aus etwa zwei Kilometer Entfernung. Ein deutsches Arbeiterlied. Ich kannte es nicht und ich kannte den Mann nicht, der es sang. Die Worte hatten für mich keine Bedeutung, trotzdem hörte ich auf einmal zu. Ich wusste nicht, warum, ich wollte nicht, trotzdem hörte ich zu. Die Stimme verjagte meine Apathie. (...) Es war nicht ihre Schönheit, die mich ergriff, auch nicht ihre Klarheit, die Genauigkeit, nicht die aggressive Schärfe, die diese Stimme hatte. Es war etwas anderes. Diese Stimme wusste, dass der Mensch, dass die Vernunft, dass die Wahrheit triumphieren wird. Sie wusste darüber hinaus, wie das zu machen ist. Das war der Grund für die karge Schönheit, das war der Grund für die harte Klarheit, das war der Grund für die metallene Schärfe, das war der Grund für die glühende Vernunft dieser Stimme."

Ernst Busch war nicht nur ein talentierter Sänger und Schauspieler; er war vor allem überzeugtes Kind der Arbeiterbewegung, und das kann man seinen Liedern heute noch anhören. Nachdem sein Werk jahrelang vergriffen war, hat sich jetzt der BARBArossa Musikverlag (Vertrieb: ARIS/BMG; i.e. Bertelsmann Music Group, eine Ironie der Geschichte) daran gemacht, das Lebenswerk dieses Mannes der interessierten Öffentlichkeit wieder zugänglich zu machen. Bislang erschienen 12 CDs: "Der Barrikaden Tauber" (so nannte ihn ein Kritiker), "Der rote Orpheus" (jeweils mit Originalaufnahmen aus den 30ern), "Merkt ihr nischt" (Busch singt Tucholsky/Eisler), fünf CDs "Originalaufnahmen 1946 - 1953" (Platten, die er bei dem von ihm gegründeten Schallplattenverlag "Lied der Zeit" aufnahm) und die "Chronik des 20. Jahrhunderts in Liedern, Kantaten und Balladen", die Busch zwischen 1964 und 1974 für Aurora produzierte.

Vor allem das "Aurora"-Projekt zeigt Ernst Busch als vielschichtigen Sänger und Sammler von Kampf-, Volks-und Bewegungsliedern, die nicht nur jene Kämpfe abdecken, an denen er selbst teilnahm. Und das waren nicht wenige: sein Lebenslauf liest sich wie eine kleine Reise durch die Arbeiterbewegung ab 1900.

Geboren am 22.01.1900 in Kiel als Sohn einer Arbeiterfamilie macht er eine Ausbildung zum Maschinenbauschlosser auf der Kruppschen Germania-Werft, wird Mitglied der organisierten Arbeiterjugend und der SPD, nimmt an der Novemberrevolution teil, tritt wenig später der USPD bei und 1945 der KPD. 1921 beginnt seine Karriere als Theaterschauspieler in Kiel. Über diverse Provinztheater findet Busch schließlich 1927 nach Berlin, hier hat er 1929 die erste Begegnung mit "seinem" Komponisten Hanns Eisler. Im gleichen Jahr steht er das erste Mal vor der Kamera, er spielte u.a. in "Kameradschaft" von G.W. Pabst und dem kommunistischen Film der Weimarer Republik schlechthin "Kuhle Wampe oder Wem gehört die Welt". 1933 flieht Busch vor den Faschisten aus Nazideutschland, 1936 kommt er auf Einladung nach Moskau und macht dort u.a. Antifa-Propaganda bei den deutschsprachigen Sendungen von Radio Komintern. 1937 meldet er sich als Propagandist bei den Internationalen Brigaden in Spanien. 1940 wird er in Südfrankreich interniert, nach seiner Flucht von der Vichy-Polizei verhaftet, der Gestapo übergeben und in Berlin vom berüchtigten Volksgerichtshof verurteilt. Es war übrigens ausgerechnet Gustav Gründgens, der "Staats- und Hofschauspieler" der Nazi-Elite, der sich damals für Busch einsetzte und ihm durch eine Ehrenerklärung und die Finanzierung von Buschs Anwälten vielleicht sogar das Leben rettete. Das jedenfalls schilderte Busch in einer Ehrenerklärung für Gründgens nachdem dieser 1945 von der Roten Armee inhaftiert worden war.

Nach der Befreiung durch die Rote Armee wird Busch 1946 Leiter des Schallplattenverlages "Lied der Zeit", ab 1950 ist er Mitglied von Brechts Berliner Ensemble. Bereits 1951 bekommt Busch erste Probleme mit Kulturfunktionären der jungen DDR; seine Lieder seien Proletkult und wurden darum im Rundfunk nicht mehr gespielt. Busch starb am 08.06.1980 in Berlin (DDR).

Die vorliegende CD-Edition versammelt nahezu alles, was Busch je gesungen hat. Dabei bestechen vor allem bei den AURORA-Produktionen die ausführlichen Booklets, die - so weit finanziell machbar - auch die Texte der Lieder beinhalten, sowie einiges über deren Entstehungsgeschichte erzählen. Der Herausgeber hat nicht einfach nur die Cover-Texte der alten Platten reproduziert, sondern die Lieder - wo nötig - in einen aktuellen Zusammenhang gestellt. So finden sich beispielsweise zu dem Liedtext "Ewiger Ruhm den Helden", in dem sich Busch auf seine Weise bei der Roten Armee für die Befreiung vom Faschismus bedankt, Zeitungsauschnitte über Schändungen sowjetischer Ehrenmäler und Gräber.

Und auch wenn einem heute manches Lied pathetisch und teilweise fast antiquiert vorkommt, zeugt seine Musik doch von seiner enormen Energie und Lebendigkeit. Die CD-Edition ist nicht nur das Vermächtnis eines engagierten Sängers, sondern sie dokumentiert auch einen Teil linker Geschichte. Zur Aktualität und zum Wirken von Busch Musik bemerkte einer seiner Kampfgenosse der Inter-Brigarden bereits 1957 treffend: "Vor 20 Jahren habe ich noch gesagt, als dieser Sänger nach Spanien kam; was sollen wir mit ihm; wir brauchen keine Sänger, wir brauchen Gewehre. Die Gewehre schweigen, aber die Lieder kämpfen weiter."

Lutz Graefe

Alle Zitate aus dem leider vergriffenen Buch von Karl Siebig "Ich geh' mit dem Jahrhundert mit. Ernst Busch - Eine Dokumentation." das neue buch Rowohlt. Hamburg 1980. Hörproben unter: http://www.barbarossa-musik.de


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