ak - analyse & kritik, Zeitung für linke Debatte und PraxisNr. 451 / 07.06.2001

Lachen über Auschwitz?

Kritische Anmerkungen zum Internationalen Symposium "Filmkomödien und Holocaust"

Sind Groteske, Satire oder Komödie bislang zu Unrecht marginalisierte Versuche, sich dem Holocaust im Spielfilm zu nähern? Sind das Absurde und das Lächerliche nicht nur legitime, sondern gar notwendige Perspektiven im Blick auf die Shoah? Diese Fragen standen im Rahmen eines internationalen Symposiums Ende April zur Diskussion, das vom Frankfurter Fritz-Bauer-Institut, der Universität Frankfurt und der Evangelischen Akademie Arnoldshain initiiert wurde. WissenschaftlerInnen aus den Bereichen der Psychoanalyse, der Film-, Literatur- und Sozialwissenschaft unternahmen den Versuch einer theoretischen und historischen Einordnung.

Die Absicht der frühen antifaschistischen Satiren wie Chaplins "Großer Diktator"(1940), Ernst Lubitschs "To be or not to be"(1942) oder auch Heinrich Manns Filmroman "Lidice"(1942) war eine konkret politische. Der Kriegseintritt der USA und der Kampf gegen die Deutschen sollten unterstützt werden. Es war der Versuch, mit dem Mittel der Satire neben der Gefährlichkeit auch die Bezwingbarkeit der Nazis vorzuführen. Die Projekte blieben allerdings umstritten. "Hätte ich von den Schrecken in den deutschen Konzentrationslagern gewusst, ich hätte ,Der große Diktator' nicht zu Stande bringen, hätte mich über den mörderischen Wahnsinn der Nazis nicht lustig machen können", schrieb Chaplin später in seiner Autobiografie.

In Deutschland wurde "Der große Diktator" erstmals 1946 gezeigt. Das Publikum, ein ausgewählter Kreis deutscher Filmhersteller und Schauspieler, empfahl, der Film solle noch viele Jahre nicht in Deutschland gezeigt werden, da für "das deutsche Volk die Vergangenheit eine zu ernste Angelegenheit sei, als dass es heute schon über eine satirische Darstellung dieser Zeit lachen könne." (1) Hanno Loewy vom Fritz-Bauer-Institut sieht in Deutschland vor allem die Tragödie als Deutung des Holocaust hoch im Kurs. Seiner Ansicht nach steht dies in engem Zusammenhang mit der beliebten Erzählweise von Stalingrad und dem verlorenen Krieg als der eigentlichen deutschen Tragödie.

Nazis als lächerliche Figuren

Eine andere Beobachtung machte ein Kritiker 1959 bei einer Aufführung von Brechts "Schweyk im 2. Weltkrieg" in Frankfurt. Er kommentierte die Publikumsreaktionen: "So, wie die Leute beim Betrachten alter Wochenschauen vor Lachen nicht aus noch ein wissen, obwohl ein Teil der Lacher damals mit aufmarschierte, und nun über sich selbst lacht, als würde mit der wechselnden Staatsform auch jedes Mal die Einheit der Person gebrochen (...), so lachte man hier über Schweyks Scharmützel mit der SS oder über seinen Spaziergang nach Stalingrad." (2) Lachen über Hitler? In den Tagungsbeiträgen wurden die kritischen Stimmen gegenüber Satiren in der deutschen Nachkriegsgesellschaft mehrheitlich als Tabuisierungen gewertet, die einer Aufarbeitung des NS im Weg gestanden hätten. Aufarbeitung sei ein kollektiv-psychologisches Moment, "das durch Gefühlsverbote und Gesinnungsrichtlinien überhaupt nicht in Gang kommen kann", so beispielsweise Prof. Burkhardt Lindner. Damit unterstellte er, dass den Deutschen eine wichtige, wenn nicht entscheidende Möglichkeit einer an sich gewollten Auseinandersetzung vorenthalten geblieben ist. Über Hitler und Nazis zu lachen sei antiautoritär, antiheroisch und damit aufklärerisch, so wurde immer wieder argumentiert.

Dabei passt eine Distanzierung von den Führungsfiguren doch gut in die Geschichte vom verführten und betrogenen deutschen Volk. Nazis als lächerliche Figuren - warum dies auch heute eine potenziell kritische Perspektive sein soll, blieb unklar. Mel Brooks, Autor und Regisseur von Filmkomödien wie "The Producers", in denen Hitler als Schwuler über die Bühne stolziert, äußerte sich in einem Interview wie folgt: "Der posthume Tanz auf dem Grab von Hitler" sei angesichts der nicht verheilenden Wunden des Holocaust "wie Balsam" und ein schadenfrohes Lachen über die Nazis "oft die einzige Waffe gegen das Böse." Das deutsche Publikum dürfte die Einladung gern annehmen, sich kollektiv auf der Seite der Guten einzurichten und sich gegen das personifizierte "Böse" das Unbehagen vom Leib lachen.

Roberto Benignis Film "Das Leben ist schön" fand unter den TagungsteilnehmerInnen viel Zuspruch als gelungenes Beispiel, sich Faschismus, Antisemitismus und KZ mit Mitteln der Komödie und des absurden Theaters zu nähern. Nach Ansicht von Prof. Silke Wenk ist dies kein Film über Auschwitz, sondern über die Bilder, die davon gemacht wurden. Diese würden mittels ironischer Verfremdung reflektiert und in Frage gestellt. Die Kritik, Auschwitz würde verharmlost, wies sie zurück. Voyeuristische Zuschauererwartungen würden thematisiert, ohne sie zu bedienen. Die Opfer würden nicht durch entwürdigende Darstellungen einer "sekundären Traumatisierung" ausgesetzt.

Dr. Kathy Laster und Dr. Heinz Steinert gingen noch weiter: "... es geht im Rückblick darum, die menschliche Würde der entwürdigten Opfer wiederherzustellen." (3) Benignis Hauptfigur bleibe "Akteur" - "er kann zwar nicht sein Leben, aber seine Menschlichkeit retten". Mit diesem Argument teilen sie die Vernichtung der Juden quasi auf. Körperlich wurden Juden umgebracht. Moralisch aber haben sie überlebt und blieben in diesem Sinne ihren Mördern gewachsen, wenn nicht gar überlegen. Eine merkwürdige Unterscheidung, die den wiederkehrenden Wunsch nach Entlastung und Wiedergutmachung bedient: So ganz vernichtend waren die Deutschen dann doch nicht. S. Wenk wertete Benignis Produktion als Tabubruch, weil er ein populäres Medium einsetzen und gegen das ungeschriebene Gesetz verstoßen würde, dass eine Darstellung des Holocaust der "ernsthaften Kunst" vorbehalten bleiben müsse. Diese Analyse teilte auch K. Laster, die den KritikerInnen vorwarf, sie würden eine Art von "Hochkultur" in der Holocaust-Darstellung verteidigen, der Publikumserfolg per se verdächtig vorkomme. Dabei bezog sie sich im Wesentlichen auf die US-amerikanische Rezeption. Eine Kritik der Reaktionen auch in Deutschland wurde nicht vorgenommen.

Lachend die Last der Geschichte abwerfen

Das ist unverständlich, denn seit "Das Leben ist schön" scheinen sich auch die Kommentierungen nachfolgender Filme wie "Zug des Lebens", "Comedian harmonists" etc. verändert zu haben. Eine Auswertung der deutschen Rezeption wäre auch notwendig, um eine weitere These von Silke Wenk zu diskutieren. Ihrer Ansicht nach wird eine mögliche Identifikation des Publikums mit Benignis Hauptfigur immer wieder durchbrochen. Das ist anzuzweifeln. Der Film erlaubt sehr wohl eine Identifizierung mit dem jüdischen Verfolgten oder auch seiner nicht-jüdischen Frau, die ihm freiwillig ins KZ folgt. Benigni erzählt von dem Versuch zu überleben, indem die Wirklichkeit umgedeutet wird. Das bietet dem deutschen Publikum die Möglichkeit, sich in die gleiche Rolle hineinzuprojizieren. Denn die Geschichte ist weiter im Umlauf, nach der auch die Deutschen im Grunde alle SystemgegnerInnen waren und angesichts der Übermacht und Brutalität der Nazis nur mitspielten, um zu überleben.

Einen verstörenderen Ton schlug der Schriftsteller und Psychiater Dr. Hans Keilson an. An ihn ging die Frage nach der Rolle des schwarzen Humors und des Lachens jüdischen Kinder, die Ghetto und Konzentrationslager überlebt hatten. (4) Er selbst überlebte die nationalsozialistische Verfolgung in Holland, wo er untergetaucht war und als Arzt für die Widerstandsbewegung gearbeitet hatte. Als einziger Referent war er nicht in erster Linie mit einer Bewertung und Analyse von Holocaust-Darstellungen beauftragt. Die VeranstalterInnen selbst ließen ungeklärt, was ihr Interesse am "Witz der Überlebenden" war. "Ich muss Ihnen sagen, dass mir nicht zum Lachen zumute war." Mit dieser Erinnerung an Hitler brachte Keilson seine Zweifel an der Frage nach dem "Lachen über Hitler" zum Ausdruck. Er kritisierte Begrifflichkeiten wie "Holocaust-Comedy" oder den Tagungstitel "Auschwitz-Gelächter". Unklar bleibe, wessen Gelächter gemeint sei. Das Wesen des Holocaust würde aus der Sprache genommen.

Keilson beschrieb den "schwarzen Humor" überlebender Kinder und Jugendlicher als Teil schwerer Depression, als Ausdruck von Schizophrenie und tiefsitzender Angst. Sein Vortrag konnte als Weigerung verstanden werden, über Traumatisierung und Überleben zu sprechen unter der Vorgabe, die Funktion des Lachens und des "schwarzen Humors" herauszuisolieren. War es in der Diskussion um Benignis Darstellung noch möglich, am Humor der Verfolgten als Mittel des Überlebens teilzuhaben, so tat sich hier ein Graben auf. Keilsons Argumente wurden nicht mehr diskutiert, sondern beredt übergangen. Der nicht zeitgemäße Zeitzeuge wurde freundlich exkommuniziert.

Nicht nur in Komödien, auch in den Melodramen der späten 90er Jahre wie "Comedian harmonists" oder "Gloomy sunday" wird gelacht. "Lachender Unernst", kritisierte Prof. Lutz Koepnick, "spielt eine wichtige Rolle, die Geschichte des Holocausts neu zu erzählen". (5) So bleibe die Heiterkeit der Schlussszene aus "Aimée und Jaguar" dem Publikum unauslöschlich in Erinnerung. Die Ausgelassenheit der Liebe zwischen der Jüdin Felice Schragenheim und der treudeutschen Lilly Wust werde hier zu einer Inszenierung deutsch-jüdischer Symbiose. Der Ort ist die private Beziehung, in der Krieg und NS kaum Spuren hinterlassen. "Das zwanglose Lachen der beiden Frauen fungiert als Medium, Juden und Deutsche als Mitglieder ein und derselben Schicksalsgemeinschaft zu integrieren, in der sowohl Träume als auch Traumas miteinander geteilt werden". Das Publikum darf teilhaben. Seiner Beobachtung nach findet gerade dann Versöhnung in multikultureller Eintracht statt, "wenn die Zensurinstanz rationalen Denkens scheinbar ausgeschaltet wird, um dem Körper freien Lauf zu geben." Lachend können die Lasten der Geschichte abgeworfen werden. "Wer nicht mitlacht, ist ein Spielverderber, ein Störenfried, ein Außenstehender, der am Konsens der Gruppe nicht teilhaben kann oder teilzuhaben verdient", merkte Koepnick kritisch an. Er wies darauf hin, dass annähernd zeitgleich mit der Uraufführung von "Aimée und Jaguar" die Rede Martin Walsers diskutiert wurde, in der dieser das Ende öffentlichen Gedenkens zur Bedingung deutsch-jüdischer Versöhnung machte.

In den meisten Tagungsbeiträgen wurde davon ausgegangen, dass das Lachen in filmischen Darstellungen des Nationalsozialismus und des Holocausts ein fortbestehendes Tabu sei. Doch auch schon Ende der 80er Jahre, im geistigen Klima nach dem bundesdeutschen Historiker-Streit, hatten Wissenschaftler und Künstler in einer Fernsehsendung über die Frage "Lachen über Hitler?" debattiert. Die Filme, die während der Tagung zur Diskussion standen, waren international erfolgreich. Sie flankierten vielmehr eine gesellschaftliche Entwicklung, die schon längst stattgefunden hatte.

Das "Tabu" ist längst gebrochen

Die Plädoyers für Satire und Komik waren weit weniger kritisch und provozierend, als sie von sich behaupteten. Meist basierten sie auf der Ansicht, dass Holocaust-Darstellungen vielfältiger werden müssten und dass "neue Konstellationen der Generationen" neue Darstellungsformen erfordern würden. Über lächerliche Nazis lachen - wo liegt darin die Provokation für eine Gesellschaft, die inzwischen in den Krieg zieht, um "humanitäre Hilfe" zu leisten, weil sie das als Lehre aus Auschwitz gezogen hat?

An "Das Leben ist schön" sei bemerkenswert, dass die Darstellung ohne die bekannten Bilder der Grausamkeiten auskomme, die meist den Täterblick auf die Opfer reproduzieren würden. Was bedeutet diese Argumentation vor dem Hintergrund von Diskussionen wie die um Goldhagens Untersuchung der "willigen Vollstrecker"? Dessen Blick auf die emotionale Beteiligung der Mörder und die unnachgiebigen Beschreibungen der Grausamkeit ihrer Verbrechen hatten in Deutschland massive Gegenangriffe zur Folge gehabt. Mit Walser wird das Recht der Deutschen aufs Wegschauen öffentlich verhandelt. Aber diese Debatten waren auf der Tagung kein Thema, eine Reflexion der ideologischen Tendenzen in der deutschen Narration des Holocaust blieb die Ausnahme.

Susanne Kunte

Anmerkungen:

1) zitiert nach Prof. Burkhardt Lindner, Tagungsmitschnitt.

2) J. Kaiser, 1959, zitiert nach Dr. Stephan Braese, Tagungsmitschnitt

3) Vgl. auch K. Laster, H. Steinert, "La vita è bella", Mittelweg 36, 4/99

4) Veröffentlichungen u.a. "Komödie in Moll", 1947, "Wohin die Sprache nicht reicht", 1998

5) Lutz Koepnick, Tagungsmitschnitt. "Dark mirror - German cinema between Hitler and Hollywood", wird demnächst auf Englisch erscheinen


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