ak - analyse & kritik, Zeitung für linke Debatte und PraxisNr. 452 / 05.07.2001

Patriotische Sinnstiftung

"Pearl Harbor" im Kino

In den letzten Jahren waren es in erster Linie die deutschen Regisseure Wolfgang Petersen ("Air Force One") und Roland Emmerich (" The Patriot", "Independence Day") die den Patriotismus ausgiebig filmisch auslebten. Nun werden sie von Michael Bay (Regie) und Produzent Jerry Bruckheimer mit "Pearl Harbor"; dem mit 135 Mio. Dollar teuersten Film des Jahres übertroffen. Hatten beide bereits in "Armageddon" in einer fiktiven Geschichte Heldentum und Patriotismus auf typisch amerikanische Weise in Szene gesetzt, so wenden sie sich in ihrem neusten Werk der Geschichte der USA zu. Thema ist der fest im kollektiven Gedächtnis des Landes verankerte Überfall der Japaner auf die amerikanische Flotte in Pearl Harbor am 7.12.1941. Ein Angriff, mit dem der Krieg, der ab 1939 bereits in Europa und Teilen Ostasien tobte, tatsächlich zu einem "Weltkrieg" wurde.

Auch wenn die materiellen Verluste des japanischen Angriffs nicht so massiv waren, wie gemeinhin vermutet, eines blieb bestehen: die psychische Wirkung des Angriffes, die Möglichkeit der Verwundbarkeit des amerikanischen Militärs. In der historischen Situation wirkte sich dies nicht negativ aus, sondern schweißte vielmehr die Nation im Kampf zusammen und stärkte ihren Widerstandswillen.

Alles Geschichte und lange vorbei? Doch dann stellt sich die Frage, warum ausgerechnet dieser Stoff nach 60 Jahren ausgewählt und daraus ein propagandistischer "Durchhaltefilm" übelster Sorte gemacht wurde, mit dem man eher in Zeiten eines offenen Krieges rechnen würde. Bay/Bruckheimer machen aus dem historischen Ereignis ein dreistündiges Heldenepos, in dem keine Klischees und keine Versatzstücke, die dieses Genre ausmachen, fehlen.

Zentral ist die Männerfreundschaft zwischen rafe und Danny (Ben Affleck und Josh Harnett), die gemeinsam aus Freude am Fliegen zur Luftwaffe gehen, um ihrem Land zu helfen. Durch die gleichzeitige Liebe zu einer Frau zerbricht diese Freundschaft zunächst, bevor sich die beiden im heldenhaften Kampf gegen die Japaner wieder versöhnen. Das Motiv der Einigung im Kampf gegen äußere Feinde ist geradezu eine Grundkonstante der Politik.

Natürlich opfert sich schlussendlich ein Held am Ende für den anderen, damit dieser dem Idyll frönen und mit der Geliebten eine Familie gründen und glücklich auf einer Farm leben kann. Dieses Familienidyll wird von Bay/Bruckheimer buchstäblich in den Himmel gehoben, wenn am Ende die glückliche Kleinfamilie in die Abendsonne hineinfliegt.

Die Männerbeziehung dominiert den ganzen Film, für die weibliche Hauptrolle Evelyn (Kate Beckinsale) verbleiben die üblichen Rollenbilder. Sie darf, immer gut geschminkt und kichernd durchs Bild laufen, die beiden Helden anhimmeln und sich in ihren Armen geborgen fühlen. In der Stunde des Angriffs behält sie dann als einzige Krankenschwester kühlen Kopf und versorgt die Verwundeten. Die Rolle als Helferin erfüllt sie also vorbildlich und bleibt immer Spielball zwischen ihren beiden Männern.

Daneben dürfen auch die "Führerpersönlichkeiten" nicht fehlen, in amerikanischen Kriegsfilmen in der Regel der Präsident und der Truppenführer. Alec Baldwin spielt den alternden, etwas aufgeschwemmten, aber trotzdem tollkühnen James Doolittle, der als Vorbild für die beiden eigentlichen Helden fungiert und führt den als Himmelfahrtskommando angelegten Vergeltungsschlag gegen Japan an. Solche Militärführer wünscht sich das Land natürlich und nicht durch Zufall nehmen ehemalige Militärs wie der Golfkriegsheld Colin Powell in der Außenpolitik der USA eine wichtige Rolle ein.

Wenn auch die amerikanische Bevölkerung seit Watergate von ihren Präsidenten eher enttäuscht ist, in "Pearl Harbor" erlebt das Kinopublikum einen Präsidenten, der noch als Vorbild angesehen werden kann. Präsident Roosevelt, gespielt von Jon Voight, der wegen Kinderlähmung im Rollstuhl sitzende Präsident, demonstriert im Film amerikanische Willensstärke. Bei seiner pathetischen Kriegsrede erhebt er sich vor seinen Generälen, steht auf seinen eigenen Beinen, und beweist damit, dass für und in den USA nichts unmöglich ist.

Dieses Motto gilt ebenfalls für den heldenhaften Schwarzen (Kuba Gooding jr.), der eigentlich auf Grund des im Militär vorherrschenden Rassismus nur als Koch eingesetzt wird. Sein wahres Können darf er nur beim Boxen zeigen, doch beim Angriff der Japaner ergreift er die Initiative und steht als einer der ersten an den Geschützen. Dafür erhält er am Ende - nachdem er am Sarg seines weißen Kommandanten pflichtgemäß seine Tränen vergiest - einen Orden. Der Beweis ist erbracht: jeder kann es schaffen, unabhängig von Hautfarbe oder Herkunft - wenn er nur will.

Die Schlussfolgerung aus dieser Geschichte lautet: die USA muss sich ständig vor Angriffen in Acht nehmen, denn so eine Schmach wie in Pearl Harbor soll in Zukunft tunlichst vermieden werden. Auch wenn in der Gegenwart die "richtigen" Feinde fehlen, so muss sich die USA mit einem weltraumgestützten Abwehrsystem vor Angriffen so genannter Schurkenstaaten schützen, die zu den neuen Weltfeinden hochstilisiert werden.

Natürlich endet der Film positiv, denn der Vergeltungsschlag gelingt, die amerikanische Bevölkerung erhält - wie uns die Stimme der Heldin aus dem Off erklärt - wieder neuen Siegeswillen und den Glauben an sich selbst und eine erfolgreiche Zukunft zurück.

Dennoch scheint dies - zumindest den BesucherInnenzahlen in den USA zufolge - nicht ganz zu funktionieren. Meiner Ansicht nach liegt das nicht nur an den mäßigen Leistungen der SchauspielerInnen, sondern auch im Fehlen von jeglicher Ironie und Kritik, die die Problematik des Patriotismus und des Heldentums brechen und damit etwas erträglicher gestalten würde.

Statt dessen wird deutlich, dass es Bruckheimer/Bay wirklich ernst meinen mit der Ehrung ihrer HeldInnen. Daraus resultiert eine Plumpheit, mit der der für viele AmerikanerInnen selbstverständliche Patriotismus überhöht wird. Das kann sich finanziell in einer Phase, in der das Durchhaltevermögen der Nation längst nicht mehr so auf die Probe gestellt wird wie im Dezember 1941, auch schon mal rächen.

Alexander Neumann


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