Es gibt kulturelle Erzeugnisse der
Linken, die mehr sind als nur Kunst. Und es gibt Menschen, einst
Kulturschaffende genannt, die (linke) Politik und Kultur nicht
nur kommentiert und umrahmt, sondern beeinflußt und mitgestaltet
haben. Zu diesen gehören sicherlich Die 3 Tornados. Von ihnen
liegt nun das vor, was auch schon früher die linke Szene gerne
anschaffte: Gesammelte Werke. Nur sind es hier keine zwei Meter
blaue oder andersfarbige Bände, die dekorativ die Buchwand zieren,
sondern eher bescheiden vier CDs, die alle sechs erschienenen
Tornado-LPs und diverse Bonus-Tracks enthalten. Im CD-Schuber
befindet sich zudem ein Heft mit wesentlichen Informationen und
Fotos, und fertig ist AUF TOUR 1977 1988.
Die 3 Tornados, das war im linken
Kabarett, was Ton Steine Scherben für die Musik war:
eine Institution und trotzdem keine ehrfurchtgebietende Sache,
vielmehr etwas sehr Lebendiges. Wer seine ersten Auftritte bei
Veranstaltungen gegen Berufsverbote hatte, das legendäre Russell-Tribunal
kabarettistisch unterstützte, am Tunix-Kongreß teilnahm, die
damals noch eindeutig linke taz aufbauen half, in besetzten
und nichtbesetzten (linken) Kulturzentren spielte, - der stand
mitten drin im undogmatisch linken Leben.
Da verwundert es auch nicht, daß die Tornados
nicht offiziell in der real-existierenden DDR spielen durften,
sondern nur privat im Prenzlauer Berg gastierten. Es blieb der
einzige Ost-Auftritt, wenngleich der Unrealsozialismus der DDR
öfter Thema der kabarettistischen Tornados aus Berlin
war.
Als Die 3 Tornados schon gar nicht
mehr zu existieren schienen, traten sie dann doch noch einmal
in Erscheinung: Wenige Tage nach dem Fall der Mauer 1989, als
sie mit anderen Künstlern das kommentierten, was da zusammenwachsen
wollte. Mag sein, daß sie klüger waren als andere Linke, die
der Mauerfall kalt erwischte.
Nicht heller auf der Platte waren sie aber
in einer anderen politischen Frage: Auf der LP "Rundschlag am
Mittag" bezeichneten sie 1978 den israelischen Ministerpräsidenten
Begin, der zur Zeit der Staatsgründung Israels der Terrorgruppe
Irgun angehörte, nicht nur als rechtsradikalen Terroristen.
Sie erhofften sich unter dem Gejohle der ZuhörerInnen Begins
Tod: "Es machte peng, es machte bumm, da fiel der gute Begin
um." An diesem Punkt bewegten sich die 3 Tornados ganz
im linken mainstream der 70er Jahre, der uns heute in seiner
teilweisen Unbedarftheit manchmal erschaudern läßt.
Ansonsten zogen die Tornados stets
gnadenlos gegen Reaktionäre, homophobe Spießer, Rassisten, Militaristen,
gegen Atomkraft, gegen alles mögliche und immer wieder gegen
Polizisten und Staatsschützer ins Feld.
Auch die Linke selbst bekam ihr Fett weg.
Erinnert sei nur an "Sozialismus Modell A" und "Sozialismus
Modell B". In ersterem regiert eine Revolution in Deutschland
vorausgesetzt eine spießige Kaderclique, die schließlich feststellt:
"Sozialismus? Haben wir nicht. Ist im Plan nicht vorgesehen."
Modell B zeigt dagegen die Anarcho-Version mit lahmen Freaks
und Hirseschnitzel statt Steaks, mit der Landkommune Jimmy Hendrix
und der Frage der Kartoffelernte. Denn es sei "irgendwie unheimlich
wichtig, das Ding mit den Kartoffeln, entspricht momentan aber
überhaupt nicht meinen konkreten Bedürfnissen." Und der Genosse
erwidert, er könne auch nicht zum Einsatz: "Ich bin da im Moment
nicht drauf."
Auch diverse kirchliche Eigenheiten wie der
Glaube an die jungfräuliche Empfängnis regten die drei Kabarettisten
aus Berlin immer wieder zu Sketchen an. Durch das Tornado-"Krippenspiel"
wurde gar die Gründung einer aufgebrachten katholischen Bürgerinitiative
angeregt. Und der Staatsanwalt mußte sich gleich mehrfach in
Bewegung setzen, bis nach vier Instanzen der Freispruch für
die Krippenspieler erfolgte.
Die 3 Tornados, das war keine
Wortakrobatik, kein hochintellektueller Kunstgenuß, keine freudlose
Agitation und kein hochkulturelles Pflichtprogramm für bezahlte
Rezensenten des Feuilletons. Statt dessen war das Ganze bunt,
schrill, ganz perfekt unperfekt und manchmal genial daneben;
Brachialkabarett für drei Personen und ein Akkordeon.
Meist überwogen die Textbeiträge; lediglich
auf der LP Tornados a gogo (1979) brachten sie ausschließlich
Lieder, teils solche aus früheren Programmen, teils neue. Und
das war dann auch die einzige weniger gute Platte der drei Berliner.
Waren Die 3 Tornados das andere Volkstheater?
Die deutschsprachige Commedia del larte des 20. Jahrhunderts?
Die vorweggenommene Verhöhnung all der sich heute so krebsartig
vermehrenden, grottenschlechten Comedy-Idioten? Keine Ahnung.
Wahrscheinlich von allem etwas und noch viel mehr.
Im damals noch öffentlich-rechtlichen Fernsehen
landeten die Tornados nur selten: 1979 im Rahmen eines
Kinderprogramms (!) der Funkausstellung und 1980 mit dem "Krippenspiel",
was die genannten Folgen hatte. Der SDR setzte 1979 die drei
Berliner mit ihrem Beitrag zu "30 Jahre Grundgesetz" ab. Auch
der SWF und der WDR zogen 1980 eine Live-Sendung bzw. eine Talk-Show
zurück. 1983 strich der SFB wieder einige Beiträge, und 1986
brach Radio Bremen eine Sendung einfach ab.
Die Tornados
reagierten und setzten gegen den Willen des Senders gerichtlich
die Ausstrahlung zweier Werbespots (!) im SFB durch: 1986 zum
Thema Polizei und 1988 zum Barschel-Ehrenwort.
Gutes Kabarett
kann, wie wir hier sehen, doch etwas bewegen: Zumindest Staatsanwälte,
Richter, Fernsehverantwortliche und katholische Initiativengründer.
Im Falle der 3 Tornados dürfte die Bedeutung aber weit
über diese medienwirksamen Highlights hinausgegangen sein. Als
Kampagnenkabarett und innerlinke Kritikinstanz haben die Tornados
mit für eine Kultur gesorgt, die linke Hegemonie in Teilbereichen
der Gesellschaft möglich machte. Wie wichtig die Tornados
und die Scherben, all die Mosmanns, Tommis usw. waren,
das merkten wir, als es sie nicht mehr gab. Und schließlich
fehlt uns seither auch weitgehend die Möglichkeit zu dieser
Form der "gnadenlosen Unterhaltung" (so ein entsprechender CD-Titel).
Dem Trikont-Verlag sei Dank, daß zumindest die Konserven der
drei Kabarettberliner jetzt komplett vorliegen. Jüngere unter
uns werden aber an einigen Stellen im linken Geschichtsbuch
(gibts das?) nachblättern müssen, um den damals für alle geläufigen
Hintergrund der Szenen und Lieder zu verstehen.
Ach ja, Die
3 Tornados, das waren anfänglich nur zwei: Arnulf Rating
und Günter Thews; doch schon im Gründungsjahr kam Hans-Jochen
Krank dazu, der 1981 von Holger Klotzbach abgelöst wurde. Krank
ist heute Gymnasiallehrer, Klotzbach gründete die Berliner "Bar
jeder Vernunft", Rating macht weiter Kabarett und Günter Thews
starb am 30.1.1993 an Aids. Vier Schicksale aus der Linken,
die in dem Berliner "Spaßguerilla-Theater" (so der Trikont-Verlag)
ihren gemeinsamen Bezugspunkt hatten; ein Theater, das uns ermöglicht,
die Geschichte der Linken vielleicht etwas besser, in jedem
Fall aber unterhaltsamer zu begreifen.
Martin Bayer
Ein kurzer Lehrgang
zur Geschichte der Linken in musikalisch-kabarettistischer Form:
Ton Steine Scherben: Warum geht es mir so dreckig?/Keine
Macht für niemand (2 LP/CD)/Wenn die Nacht am tiefsten (2 LP/CD);
David Volksmund Produktion
Die 3 Tornados: AUF TOUR 1977 1988 (4 CD und Booklet);
Trikont 1999 |