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"Respektiert meine Haare"
Chico Césars Música popular brasileira
Geradezu inflationär werden einem derzeit überall oberflächliche Rhythmen zwischen Samba und Salsa zu vollen Caipirinha-Gläsern gereicht. Nicht so, wenn in der Fabrik Chico César mit seiner Respekt-Tour gastiert. Gemeinsam mit Carlinhos Brown gehört César seit Jahren zur ersten Garde der brasilianischen Música popular. Dass diese keineswegs auf Variationen von Sambarhythmen reduzierbar ist, hat César auf virtuose Weise unterstrichen - zuletzt auf seinem jüngsten Album.

"Respektiert meine Haare, ihr Weißen" lautet dessen Titel in der Übersetzung. Damit spielt der 1,60 Meter kleine Mann durchaus auf seine Haare an, die er zu einem Turm von beachtlicher Höhe trimmt, um äußerlich an Größe zu gewinnen. César mag eitel sein, aber: "Die Haartracht ist eine Metapher für uns alle", sagt er, "der Kampf darum, unabhängig und kantig zu bleiben." Ein Plädoyer für Individualität, eine Forderung nach Respekt, nicht Toleranz.

Wie selbstverständlich stellt César seine sozialpolitische Rolle als Künstler heraus. Seine eigene Jugend unter der Militärdiktatur als siebter Sohn eines Landarbeiters und einer Wäscherin im ärmlichen Bundesstaat Paraíba, wo er seit seinem achten Lebensjahr in einem Plattenladen arbeitete und bereits zehnjährig auf Festen spielte, prägt ihn dabei bis heute: "Die Musik spielt seit damals eine enorme Rolle. Sie war Sprachrohr der Bürgerbewegungen, als die politischen Parteien nicht mehr existierten, das Parlament geschlossen, die Zeitungen zensiert waren."

Dabei ist der bekennende Kriegsgegner alles andere als ein Politbarde: Feinsinniger Sprachwitz, Anspielungen und jede Menge Poesie sind seine Werkzeuge, verpackt in den musikalischen Reichtum seiner Heimat. Im Vokabular von Reggae, Funk oder klassischem Singer/Songwriting singt César über den Alltag und - die Liebe.

DIRK SEIFERT

Donnerstag, 21 Uhr, Fabrik taz Hamburg Nr. 7112 vom 24.7.2003, Seite IV, 66 Zeilen (Kommentar), DIRK SEIFERT,  Rezension www.taz.de