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Ein Brasilianer unterwegs in Europa
Wie eine Spirale, mit Intuition und eigener Weisheit
Ein Tourneebericht
Quelle: Folker

Es waren vierzehn Shows in einem Monat. Diesmal mit gleich zwei Plattenveröffentlichungen: "Mama Mundi", von Universal in Deutschland herausgebracht, und eine Compilation des US-amerikanischen Labels Putumayo. Wir sind zu zwölft gekommen: Ein menschlicher Artenreichtum, der es in sich hat.
Von Chico César


Da ist meine Managerin, Constanze Eiselt; unsere beiden Techniker Canrobert und Fernando Oliveira; unser Roadie Mauro Ruiz und die Band: Simone Soul und Guilherme Kastrup (Percussion und Samplers), Swami Júnior (Bass), Simone Julian (Saxophon und Querflöte), Marcelo Jeneci (Akkordeon und Keyboards), João Linhares (Gitarre, Cello und Cavaquinho) und Tata Fernandes (Gitarre und Backing Vocals). Und ich. Dazu gesellen sich die Busfahrer: zunächst Frank, später dann Gunnar.

Während der Tour kreuzen unsere Wege die anderer brasilianischer Künstler, mit denen wir oftmals zusammen auftreten – Daniela Mercury, Lenine, Funk'n'Lata und die Velha Guarda da Mangueira. Wir treffen neue und alte Freunde wie unseren Agenten Frank Abraham (der Deutscher ist, aber jeden Tag mehr zum Bahiano wird), Marlon Klein, Schlagzeuger der Dissidenten, die portugiesischen Sängerinnen Né Ladeiras und Filipa Pais, Dany Silva und Tito Paris von den Kapverdischen Inseln, die Band Mestre Ambrósio aus dem brasilianischen Bundesstaat Pernambuco. Und, völlig überraschend, auf der Durchreise nach Montreux, Marco Mazzola (der Chef des Labels MZA, das meine Platten in Brasilien rausbringt). Und natürlich Freunde von Universal in Portugal, Deutschland, Spanien und England. Ein Haufen Leute. Und ihre Bedeutung innerhalb des künstlerischen Projekts wächst ständig – wie eine Spirale, mit Intuition und eigener Weisheit. Eine Verschworenheit unter Menschen, die sich zum Teil gar nicht persönlich kennen. Für mich findet die Tour für sie alle statt – und für diejenigen, die Kisten tragen, Essen zubereiten, den improvisierten Backstage-Raum kehren, auf dem Rasen lagern, um die Sonne und die Musik zu genießen, die "Zugabe!" rufen, obwohl (oder sogar weil) es regnet. Und für diejenigen, die die brasilianische Fahne schwenken wie Fußballfans und dabei "Mama África é mãe solteira" singen.

Der Gedanke, dass für einige Minuten oder Sekunden ein Lied, ein Refrain, ein Akkord Heimat für all diese heimatlosen Leute sein kann, deren Nationalsymbole immer mehr von der Globalisation überrollt werden, fasziniert und erschreckt mich. Auf einer solchen Tournee werden wir zum Sprachrohr dieser Kraft der Integration und des fast kindlichen Glaubens an Verbrüderung. Aber etwas in uns schreit nach der Bestätigung des Eigenen und nach dem Nicht-Wollen des Einheitsbreis, der richtungslos alles zu zerstören scheint. Wir teilen uns in das, was wir waren, was wir sind und was wir zu werden scheinen. In diesem Konflikt gibt die Musica Popular manchmal ein Beispiel von von diesen anachronistischen und störrischen Kräften, die nicht verschwinden, sondern zur Vielfalt beitragen wollen. Als ob sie damit sagen will: Eigenarten haben ein Anrecht auf ein Plätzchen in der Welt – sei es die Art zu rauchen, zu essen, zu lieben, zu töten oder darüber ein Urteil zu fällen. Nicht als exotisches Beiwerk, sondern als wichtiger und gleichberechtigter Baustein eines Gebäudes.

Unsere erste Show findet in Barreiro, Portugal, statt, wo wir gemeinsam mit Lenine auftreten. Nicht gerade ein verheißungsvoller Start – wir sind müde, und ein Teil unserer Instrumente ist auf dem Flug abhanden gekommen. Am nächsten Tag, schon ausgeruhter und wieder mit allen Instrumenten ausgestattet, legen wir eine klasse Show im Zentrum Lissabons hin. Die folgenden Tage nutzen wir, um die portugiesische Fußballnationalmannschaft bei der EM anzufeuern – leider umsonst ... – und um Freunde zu treffen: den Altrocker Rui Veloso, den Schlagzeuger João Balão, den Gitarristen Armindo Neves. Noch ein kurzer Ausflug an die Küste von Ericeira, und dann zurück zur Tourrealität: die Busfahrt bis Cartagena in Südspanien mit Zwischenhalt in Sevilla. Es kann losgehen.

Discografie:
1995: Aos Vivos (Velas)
1997: Cuzcuz Clan (Totem)
1998: Beleza Mano (Totem/Virgin)
2000: Mama Mundi (Universal)
2000: Chico César (Putumayo/Exil)

Übersetzung aus dem Brasilianisch-Portugiesischen: Constanze Eiselt Redaktionelle Bearbeitung: Luigi Lauer