Hinweis: Der folgende Texte aus "junge
welt" und müßte sich dort im Archiv befinden. Trotz
einiger Suchläufe, habe ich ihn dort aber nicht wiedergefunden.
Daher füge ich den Text hier direkt ein. Bitte besucht die Seiten
der jungen welt.
Die Band spielte, und ich wurde ständig von Freunden und Bekannten,
die ich lang nicht gesehen hatte, angesprochen. Aber mehr als ein freundlicher
Blick, ein Handschlag oder ein Anstoßen mit den Flaschen war von
mir einfach nicht zu bekommen. Im Notfall sagte ich, hör dir das
an. Ich habe in mehr als 20 Jahren echt viele Bands gesehen, aber kaum
eine, die mich zu so einem Verhalten gebracht hätte.
Vor fast einem Jahr gaben Cow ihr erstes Konzert, nicht daheim in Hamburg,
was ein einfaches Spiel gewesen wäre, sondern in Köln, bei
der Jahresparty des Filmclubs 813, als Abschluss eines kleinen Festivals
mit seltenen Countrymusik-Filmen. Sie brauchten höchstens zwei
Songs, um diese 200 Leute - moderne, junge Clubvögel, die mit dieser
Musik wenig am Hut haben - direkt ins Herz zu treffen. Und das war für
beide Seiten eine spürbar tolle Überraschung. Eine Band mit
so unglaublich viel Soul, Drive und Charme kann (fast) spielen, was
sie will - eine Band mit Peta Devlin als Sängerin im Mittelpunkt
kann nur gewinnen.
Zwei Tage später bestanden sie dann gleich ihre zweite Prüfung,
als sie in der Kölner Kneipe »Little Ole Opry« ein diesmal
astreines, junges und altes Country-Rockabilly-Publikum überwältigten.
Stimmt nicht ganz, denn wir hatten einen Typen dabei, der mir vorher
erzählte, dass er Country hasst wie die Pest. Seine Begeisterung
ging dann so laut mit ihm durch, dass Peta ihn während des Konzerts
fragte, ob er ein Tote-Hosen-Fan wäre, und das haute ihn vollends
um.
Natürlich sind die Namen der Beteiligten ein Bonus für die
Band, aber viel wichtiger ist ihre Erfahrung, die weit über Countrymusik
hinausgeht: die schon länger in Hamburg lebende Londonerin Peta
Devlin kennt man als Bassistin der (leider) jetzt aufgelösten Die
Braut Haut Ins Auge; an Gitarre, Pedal-Steel - und wie alle Cow-Männer
mit gefühlvollem Chorgesang - Thomas Wenzel (Die Sterne/Die Goldenen
Zitronen); am Kontrabass Thomas Butteweg (Incredible Sinalco Bums);
an Geige und Mandoline Eckard Heins (der einzige Cow, der nie ans Schlagzeug
geht), gern gefragter Gast bei Hamburger Bands (z.B. Fink).
Wer in den letzten Jahren mitbekommen hat, daß sich bei uns jenseits
der herkömmlichen Szene ein wenig was tut mit dieser Musik, für
den ist Cow keine so große Überraschung. Auf dem schönen
xxs-Records-Sampler »13 Golden Kantrie Greats« (1997) standen
Peta Devlin & Band (damals Heins und Wenzel) im Mittelpunkt, und Peta
- »die Platte war mein Coming-out als Countrysängerin«
(aber sie sang solche Sachen schon als Kind mit ihren Eltern) - hatte
außerdem ein Duett mit dem seit einigen Jahren in Köln lebenden
Countrysänger Hank McCoy (Okra All-Stars), der gelegentlich Special
guest bei Cow-Konzerten ist und für besonderen Kick sorgt.
Countrymusik von außerhalb der USA, das ist einfach eine Problemzone
(und ich rede hier sowieso nicht von der Szene, für die das Musikantenstadl
Ersatz ist oder Winnetou-Soundtrack oder Schutzzone gegen vermeintlich
unmenschliche, also elektronische Musik etc.). Man tritt leicht in die
Fallen: Das augenzwinkernde Ist-doch-bloß-ein-Gag und das Übertünchen
mit Punk-Style sind die häufigsten. Cow aber treten, nicht mal
mit ihren Eigenkompositionen (größte Problemzone überhaupt),
in keine einzige Falle. Obwohl sie das größte Risiko eingehen,
indem sie »The Real Thing« machen (wie ihnen Hank McCoy bescheinigt).
Man spürt bei ihnen, dass diese Musik eine unglaubliche Tradition
hat und dass sie immer noch zum Heute gehören kann. Peta Devlin
und ihre tollen Jungs - Cow ist einfach ein Glücksfall.
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