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Englische Zeiten
Vielleicht die Musik nach der Party: Das Hamburger Elektronik-Pop-Duo "Kajak" im Hafenklang
Jetzt, da der britische Premier Tony Blair bei Sabine Christiansen im Ersten Deutschen Fernsehen zur Primetime small-getalkt hat, kann es nur noch ein Frage der Zeit sein, bis Gerhard Schröder Vertreter deutscher Indie-Labels zum Tee ins Bundeskanzleramt bitten wird. Von wegen Standortsicherung. Aber auch so kommen einem die Verhältnisse in Deutschland britischer vor denn je. Pop wird zur Volkskultur. Wie, sagen wir, 1990 in England spielen im ganzen Land Scharen von Jugendlichen und Heranwachsenden in Bands und warten auf bessere Zeiten.

Ein Beispiel ist auch das Duo Kajak aus Hamburg, dem Manchester Deutschlands. "So wie du machen sie Musik und klauen, was sie gerade klauen wollen", wird da zum melancholischen Schepperbeat auf der demnächst erscheinenden Debut-CD Haus der Jugend angemerkt. "Sie glauben fest daran, dass man es schaffen kann", heißt es an anderer Stelle. Mit dem Musikmachen haben die Brüder Matthias Rothaug und Andreas Reth bereits im ostwestfälischen Bad Salzuflen angefangen, jener geradezu sagenumwobenen Keimzelle nicht zuletzt dessen, was gerne "Hamburger Schule" genannt wird. In den Neunzigern spielten die beiden dann unter anderem bei den Hamburger Bands Fink, Concord und Baby. Was sie auf Haus der Jugend nun als Duo Kajak zusammengeführt hat, erklärt ihr Info mit "komplizierten Zeiten". Und ökonomischer ist die personelle Verschlankung zum Duo ja allemal.

Musikalisch und textlich zeugt Haus der Jugend von der Auseinandersetzung mit der eigenen Vergangenheit: Es gibt viele Erinnerungen an die achtziger Jahre, die - ob vermeintlich oder in der Tat - von Sorgen freiere Jugendzeit, das Landleben, die Housemartins im Walkman. Heute sei jedoch alles ja nicht mehr so einfach.
Pop, Rave und House werden von Kajak in den Mix geworfen. Und in manchen Momenten erinnert das an Electronic: Ende der Achtziger illustrierte dieses All-Star-Duo aus Johnny Marr (of The Smiths-Fame) und Bernard Sumner (New Order) für einige Zeit die Katerstimmung nach der ganz großen Party mit entspannter Musik. Ob auch bei der manchmal ein klein wenig nostalgischen Stimmung bei Kajak Chartserfolge und Pillenparties eine Rolle gespielt haben mögen, ist unklar.

"Julian Weber

mit Jean Paul: Donnerstag, 21 Uhr, Hafenklang
taz Hamburg Nr. 6750 vom 16.5.2002, Seite IV, 79 Zeilen (Kommentar), Julian Weber, Rezension