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Der Besuch einer alten Forderung

Widerstandspraktiken aufgreifen! Von Efthimia Panagiotidis, kanak attak

»Wir disziplinierten unsere Kinder nicht mehr richtig. Schulbehörden klagten über die Schwierigkeiten mit den frechen schwarzen Kindern. Weil wir sagten, ›Ihr schuldet uns was, gebt das sofort her‹, konnten unsere Kinder sagen: ›Das gehört uns längst, und wir nehmen es uns einfach!‹ Zu unseren Männern sagten wir: ›Pass auf! Wenn du mich prügeln willst, hau lieber ab, ich brauch Dein Geld nicht mehr! Und wenn Du bleiben willst, dann bring was nach Hause. Von mir wirst Du nicht durchgebracht.‹ (…) Wir verweigerten also hauptsächlich zwei Dinge: unsere Kinder zu disziplinieren, wie der Staat es will, und unter der Fuchtel der Männer zu stehen.«

(Margaret Prescod-Roberts 1978)

Trügerische Einheit

Die Kampagne »Lohn für Hausarbeit« weitete sich in den siebziger Jahren vor allem in England, den USA, Kanada, Italien, der Schweiz und der BRD aus. Sie bot die Möglichkeit, über eine Analyse und Definition der Funktion von Hausarbeit die ökonomische Basis von Sexismus zu analysieren. Frauenunterdrückung sollte nicht mehr als »besondere« Unterdrückung der Frau zum »Nebenwiderspruch« reduziert werden. Der Perspektivwechsel der Aktivistinnen bestand darin, mit Blick auf die gesellschaftlich notwendige Arbeit von Frauen die bestehende Vorstellung von (Lohn-) Arbeit zu kritisieren.

Der Kampf um »Lohn für Hausarbeit« trug zur Öffnung feministischer Diskussionen insofern bei, als er für die verschiedenen, teils unsichtbaren Formen von Hausarbeit und weitere damit verbundene Themen sensibilisierte. Die Umsetzung der Forderung nach Bezahlung der Hausarbeit scheiterte jedoch im Laufe der achtziger Jahre. Viele feministischen Gruppen und Frauen lehnten die Kampagne ab, da sie ihre verschiedenen Lebensverhältnisse und Wünsche darin nicht aufgefangen sahen.

Streckenweise machte die Kampagne aber eine internationale Mobilisierung mit vielfältigen Aktionsformen möglich. Für die gegenwärtige politische Praxis bietet der Rückblick auf die damalige Lohnforderung eine Gelegenheit, die Frage nach politischen Strategien neu zu stellen, die sich auch innerhalb der vor über drei Jahren von kanak attak begonnenen Politik für ein »Recht auf Legalisierung« finden.

Die Forderung nach garantiertem Lohn bei gleichzeitiger Verweigerung der Arbeit erfasste seinerzeit alle Bereiche der Frauenbewegung und des Frauenkampfes und bildete für ihre Vertreterinnen die »grundlegende Kampflinie im Kapitalismus«. Die Lohnforderung sollte all jene ansprechen, die aus den üblichen Repräsentationsschemata der Arbeiterbewegung und deren Vorstellungen von einer Dominanz der Lohnarbeit herausfielen. Sie machte ebenso wie die anderen zu jener Zeit stattfindenden und aus der antiautoritären Protestbewegung entstandenen Kämpfe deutlich, dass sich eine Opposition an einer Vielzahl von Subjekten gesellschaftlicher Veränderung zu orientieren habe.

Zugleich könne – so sahen es die Aktivistinnen – die Organisierung der Frauen nur dann auf gesellschaftlicher Ebene erfolgen, wenn sie sich in ihrer Gemeinsamkeit als Hausfrauen zusammenschlössen. Vor allem, wenn sie vermeiden wollen, als einzige Alternative die Vergesellschaftung durch die Arbeit in der Fabrik zu akzeptieren.

Die Notwendigkeit, für eine materielle Ausgangsbasis zu kämpfen, die das Leben aller verändern kann, ohne auf die Einsicht Einzelner über ihr »falsches Bewusstsein« zu setzen, kann auch innerhalb aktueller politischer Zusammenhänge nicht oft genug in Erinnerung gerufen werden. Die Vertreterinnen der Lohnkampagne betonten, dass eine Strategie, die bloß ein Befreiungsbewusstsein über die »weibliche Rolle« herbeiführen will, in der Ersetzung der herkömmlichen durch eine andere Ideologie stecken bleibt.

Es gehe vielmehr um die Durchsetzung einer materiellen Alternative, die es Frauen ermöglicht, selber zu entscheiden, zu leben, zu denken und zu kaufen, was und wie sie wollen. Materielle Voraussetzungen zu schaffen, die das Leben aller Frauen verändert, heiße, den Frauen überhaupt eine Wahl zu bieten, so dass sie in eine Position kommen, die es ihnen erlaubt, etwas abzulehnen, das schlimmer ist als das, was sie bereits haben.

Die Forderung nach Lohn für Hausarbeit möge – wie Gisela Bock aus der Berliner Gruppe »Frauen für Lohn für Hausarbeit« 1978 meinte – utopisch klingen, allerdings nur, solange unklar bleibe, dass sie an schon längst stattfindende Kämpfe von Frauen anschließe: Frauen »waren und sind nicht nur Opfer und (Sexual-) Objekte, sondern immer auch agierende und kämpfende Subjekte«. Der politische Einsatz der Lohnforderung besteht gerade darin, die existierenden Widerstandspraktiken aufgreifen zu können und einen zentralen Angriffspunkt gegen die kapitalistische Vergesellschaftung zu entwickeln, der ihre patriarchalische Struktur angreifen und die Bedingungen des Kampfes für die Frauen hätte verbessern können.

Gemeinsamkeiten des Heterogenen

Der heutigen Prekarität von »bezahlter« Hausarbeit in ihrer Differenziertheit kann offensichtlich nicht mit der Forderung nach einem Lohn für Hausarbeit begegnet werden. Nun sind wir mit einer »Vergesellschaftung« von Hausarbeit konfrontiert, die für wenig bis gar kein Geld von Migrantinnen mit oder ohne Papiere erledigt wird.

Einer der wichtigen Momente in der Forderung nach »Lohn für Hausarbeit« bestand gerade darin, einen Verbindungspunkt zwischen den Frauen zu finden, um die Machtverhältnisse zwischen ihnen zu brechen. Dieses Wissen geht in die Legalisierungskampagne ein, indem die Herausforderung, die verschiedenen Kämpfe gegen den Vollzug der Entrechtung zu verbinden und zu bündeln, angenommen wird. Die verschiedenen Aneignungsformen, mit denen sich MigrantInnen täglich ihre Rechte nehmen, bilden den zentralen Ausgangspunkt der gemeinsamen politischen Auseinandersetzung.

Innerhalb von Netzwerken organisieren (Über-) LebensproduzentInnen mit oder ohne deutschen Pass durch ihre unterschiedlichen Freiräume den Alltag, entziehen sich Kontrollmaßnahmen wie Überwachungen oder Razzien und überschreiten territoriale wie auch innerstaatliche Grenzen. Die verschiedenen Gruppen und AktivistInnen in der Gesellschaft für Legalisierung stärken in der Heterogenität ihrer politischen Praxis durch gemeinsame Aktionen ihre Mobilisierungsfähigkeit und versuchen, aus ihren Perspektiven an vorderster Stelle das politische Feld zu öffnen für »Kämpfe in der Migration« (Manuela Bojadzijev). Im Kampf für ein Recht auf Legalisierung ist die Anerkennung des Rechts auf Mobilität durchzusetzen und die Forderung nach kollektiven Rechten für MigrantInnen zu stellen.

Die jüngste Krise des Antirassismus geht mit den defensiven politischen Formen von Selbstverteidigung gegen repressive Maßnahmen und Vermeidung des alltäglichen Elends einher, die den gegenwärtigen transformierten Rassismus immun lassen. Bei der Überwindung der in dieser Krise eingeschriebenen antirassistischen Arbeitsteilung geht es darum, immer wieder aufs Neue eine gemeinsame Stärke in der Heterogenität und der Veränderbarkeit existierender Lebensverhältnisse zu erfahren. Wie bei der Lohnkampagne soll auch hier von einer erkämpften Position der Stärke aus in konjunkturell vorhandene Kräfteverhältnisse eingegriffen werden.

Angesichts der heterogenen Zusammensetzung der gegenwärtigen globalisierungskritischen sozialen Bewegung geht es bei der Forderung des Rechtes auf Legalisierung nicht um Vereinheitlichungsversuche, sondern um die Erweiterung des politischen Feldes, das die unterschiedlichen Kämpfenden in die Lage versetzt, ihre jeweilige politische Praxis als gemeinsamen Kampf um ein Recht zu artikulieren.

Der Unterschied zur Lohnforderung besteht darin, dass Rechte zu fordern, unter den gegenwärtigen Bedingungen kein Appell an den Staat ist, sondern die ständige Auseinandersetzung mit den jeweiligen Ausgangsbedingungen antirassistischer Kämpfe.

Das Ringen um Rechte erfordert in Momenten der Schwäche der Bewegung, in hartnäckiger Art und Weise strategisch und taktisch mit der Situation umzugehen und weniger die eigenen Kräfte daran aufzureiben, Gesetze zu akzeptieren oder nicht. Die Forderung nach einem »Lohn für Hausarbeit« wirkte damals organisierend und hatte den Effekt, die Kämpfe auszuweiten. Diese Chance gilt es auch heute mit der Gesellschaft für Legalisierung zu ergreifen.