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Ellen Klinghammer - Demo
von Thomas Schroedter
„Happy, happy“ singt Ellen Klinghammer und meine Nachbarin, eine Malerin aus Nantes, flüstert mir -die Worte nicht vertsehend- zu: „Sie ist aber sehr traurig.“ Die meisten Lieder, die wir an diesem Abend zu hören bekommen, haben durchgehend einen melancholischen Unterton. Wenn sie etwas wütender werden, scheinen die Läufe auf dem Klavier, an dem sich Ellen Klinghammer selbst begeleitet, wieder versöhnen zu wollen. Werden die Anschläge auf die Tasten härter, kontrastiert die Stimme samtweich. „Es ist halt so, dass ich meistens das, was mir in Beziehungen zu anderen passiert – und zwar eher die schwierigen, auch schmerzlichen Dinge dabei – in die Musik stecke. Das, was mich sozusagen an- oder umtreibt. Daher kommen die eher dunklen Seiten, die Du angesprochen hast (Melancholie, Wut usw.), bei den Auftritten zum Ausdruck. Das sind Stimmungsbilder und Gefühlswelten, die dann wieder auftauchen,“ erklärt sie mir später.

Am 23. Oktober vollendete die Frankfurterin ihr 24 Lebensjahr, seit 18 Jahren spielt sie bereits Klavier. Wenn sie spielerisch über die Tasten streift, wirken ihre Kompositionen dennoch aufgeladen. Die Widersprüchlichkeit, die so entsteht fordert aufmerksames Zuhören um Nuancen nicht zu verpassen.

Ellen Klinghammer hat eine erste CD veröffentlicht. Studioaufnahmen aus den Jahren 1997/98 und 2001/2002 werden ergänzt durch eine Live Aufnahme aus dem Jahr 2003. Wolkenähnlich prangt ihr Name auf dem schwarz weiß Cover auf dem sie vom Beobachter wegschauend ebenso skeptisch fragend wie ihre Lieder in die Landschaft blickt. Am rechten unteren Rand steht verschämt „Demo“ und schon wieder eine Frage: „Ist das der Titel oder soll signalisiert werden, dass es sich hier um eine Demoaufnahme handelt?“ Die Auflösung folgt auf der Rückseite.

Im Auftaktlied der CD „Think“, begeleitet Christopher Herrmann Ellen Klinghammer am Cello und trägt das Klavier noch etwas weiter fort von der Stimme und fügt die beiden dennoch zu einer Einheit zusammen. Versöhnlich und spannend zugleich klingt das Cello, wenn die Sängerin Angst über ihre Angst, `völlig verschluckt zu werden´ singt. Wie auch in den anderen sechs Liedern des Debüt Albums der Künstlerin geht es hier um so etwas wie: Fühlend denken und denkend fühlen. Auf der CD gesellen sich mal ein Bass und ein Drumcomputer mal eine Gitarre und andere Keyboards, dann wieder Cello und Schlagzeug zu Stimme und Klavier. Persönlich gefällt mir „8000km“ am besten, weil hier die spannenden Widersprüchlichkeiten am ausgeklügelsten präsentiert werden.

Bei jungen Künstlerinnen und Künstlern sucht man ja bewusst oder unbewusst Elemente, in denen sie an bekanntere Größen erinnern, die dann als Orientierungsanker und Meßlatte zugleich für die Kritik herhalten können. "Ein bisschen Tori Amos, ein Hauch von Björk, und doch ganz sie selbst", war in einer Konzertkritik zu lesen. Andere vergleichen sie auch noch mit Susan Vega erzählt Ellen Klinghammer noch, während sie ihre Anlage zusammenpackt. Ich füge noch Anna Wilson hinzu und schon wird deutlich, dass Orientierungspunkte genau so gut zur Verwirrung beitragen können. Es zeigt aber auch, dass hier jemand auf dem Weg ist, auf dem ein eigener Stil herausgearbeitet wird, der sicherlich nie ganz fertig werden kann und soll. Der Stil erinnert im ein oder anderen Abschnitt an andere Künstlerinnen, sollte aber immer als eigener Pfad wahrgenommen werden. Auf jeden Fall lohnt es sich genau zuzuhören, auch wenn wir uns noch am Anfang dieses Weges befinden. Ihr Ziel auf diesem Weg ist es „eines Tages von meiner Musik leben können und schließlich auch die Möglichkeit haben, sie so umsetzen zu können, wie sie es erfordert (d. h. evtl. mal mit Orchester, mehr Synthesizern, weiteren Musikern für die Live-Sachen und vieles mehr.) und zwar ohne mir um die Kosten Gedanken machen zu müssen!“

Einen eigenen Weg geht Ellen Klinghammer auch bei dem Vertrieb ihrer Demonstration. Auf ihrer Web Site www.ellen-klinghammer.de sind mp3 Dateien zum Download abrufbar, die zum Teil nicht auf der CD zu hören sind. Außerdem kann man die CD hier bestellen. Der Vertriebsweg führt sicherlich auch direkt zur Diskussion um den Niedergang der großen Major Labels, deren Heulen und Wehklagen über rückgehende CD Verkäufe immer wieder in der Behauptung münden, dass so junge Künstlerinnen und Künstler kaum mehr die Chance hätten, wahrgenommen zu werden. Die CD und die Auftritte von Ellen Klinghammer zeigen, dass sie damit völlig daneben liegen und dass wir mitten in einer Umstellung der Wege des Kunstwerks vom Künstler, von der Künstlerin zum Kunstliebhaber oder Kunstliebhaberin sind. Das Konzert und der Internetvertrieb sind da nur zwei Elemente, die aber in ihrer Bedeutung nicht unterschätzt werden dürfen. Dabei gehört Ellen Klinghammer zu denjenigen, „die den Flair von ´greifbarer` Musik sowie Texten brauchen, ob Schallplatten, Tapes oder CDs. Sicherlich ist es zur Zeit ziemlich schwer, sich Gehör zu verschaffen, da der Markt so übersättigt ist und viele Leute sogar Musik, die sie sich eigentlich gar nicht so im Laden kaufen würden, kopieren, nur weil es halt die Möglichkeit dazu gibt. Aber ich denke, dass, wenn die Leute wirklich von einer Musik fasziniert sind, sie diese auch auf Konzerten richtig erleben wollen und dann letztendlich auch das Original bevorzugen. Ist zwar sehr naiv gedacht, doch wie sich diese Piraterie- und Mp3-Geschichte weiterentwickelt, bleibt halt abzuwarten. Für mich sind mp3s derzeit nichts weiter als eine ganz gute Möglichkeit, meine Songs einem breiteren Publikum vorzustellen, da ich selbst so gut wie nie was runterlade.“

Thomas Schroedter