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STOPPOK

w.e.l.l.n.e.s.s.
Wenn man sich das Cover der aktuellen Stoppok-CD anschaut, dann kann das dort abgebildete, verdammt ungesund aussehende Kerlchen schon eine Portion Wellness gebrauchen. Seine Therapie war ganz einfach ein neues Studio- und Bandalbum mit 60 Minuten Folkrock & Blues vom Feinsten, welches im Februar diesen Jahres erschien. Es ist sein 13. Album und präsentiert 13 neue Songs, Hut ab!

Stefan Stoppok ist eine "feste Größe im deutschsprachigen Rock. Fest am Boden, scheren er und die Band sich einen feuchten Kehricht um Trends und Mode - abgesehen von der textlichen Auseinandersetzung mit derlei Thematiken" (Amazon). Wie nur wenige schafft er die Symbiose aus Poesie und Ernsthaftigkeit, hat einen unerschütterlichen Hang zu Niveau und Authentizität, vermeidet Schlagwort- oder Betroffenheitslyrik.

Doch er ist nachdenklicher geworden und so manchem treuen Fan fehlt das witzige Stück mit den simplen, eingängigen Klängen. Das Skurrile & Besondere am Alltäglichen, der Sinn für die kleinen Dinge & Details scheint ihm etwas abhanden gekommen zu sein, blitzt dann allerdings im letzten Track und Titelsong mit voller Macht auf - "lebendig, aufmerksam, unbequem, provokant", wie es die Presse-Info für das ganze Album verspricht.

Der Opener Die Festung handelt von dem Gefühl der Instabilität: Eingeschlossen im eigenen Leben, das früher besser war und den Blick nicht mehr nach vorne zu richten vermag. Experten streiten sich, ob das auch nur annähernd autobiographisch ist oder nicht. Dabei ist es doch gerade Stoppoks Kunst, das Fünkchen Wahrheit in jedem von uns zu beschreiben. Kunstvoll ist auch das Arrangement mit Drums & Dudelsack nach dem 1. Refrain. Auch Drehleier, Zither und die originelle Orgel des Danny Dziuk tauchen in späteren Songs immer wieder auf.

Seine Aufforderung zum Tanz singt Stoppok lässig und leicht lispelnd wie der junge Rio Reiser. Der Refrain ist musikalischer Ohrwurm und auch textlich ein kleiner Geniestreich: "Beweg Dein Herz zum Hirn / Schick beide auf die Reise / Tanz Tanz Tanz / Doch beweg Dich nicht im Kreise". Der darauf folgende, leider schwache Song Hauptsache Gesund hat bei aller musikalischen Dynamik keinen Textfluss, der Sänger stolpert - und zwar geradewegs in hinein in die Kälte, welche nur Ein Wort zu schmelzen in der Lage wäre, begleitet von einer wunderschönen melancholischen Melodie auf der Mandoline.

Wenn das Augenzwinkern zu bitterer Ironie wird, und Sieger zu Gladiatoren, dann ist da was im Bus(c)h und Globalisierungsgegner vereinigen sich, um Heut Nacht die ganze Welt zu retten. Und wenn sie das getan haben, stellt Stoppok klar, dass es "viel zu schön hier auf der Erde" ist als sich dem Herdendrang zu ergeben. Ein schönes Lied mit tiefer Stimme und einem Refrain, der hängen bleibt. Am Ende die zauberhafte Aufforderung "geh weiter, langsam und sing dabei". Noch lyrischer wird es in der Folk-Ballade mit Weltuntergangsvision: "Ich denk an Dich noch in 25 Jahren, wenn ... der Geist einer Kindheit zum Abschied noch mal über Schneefelder reist." Zum Heulen schön ...

Herzattacke ist nervig mit seinem Sprechgesang, und auch der Anti-Spiesser-Song Alles so Schwarz erricht sein Ziel nicht. Besser wird's dann Mit der Zeit und der Geschichte von der Person, die mit der Zeit geht und zu spät merkt, "dass es zu spät ist, für das große vorgetäuschte Glück" Für solche Zeilen lieben wir den sensiblen Mann aus dem Ruhrpott. Auch für seine anderen Saiten, die er - das sei hier mal erwähnt - auf dem Album an Banjo, Dobro, Fender und Akustikgitarren vielfältig einsetzt & auslebt.

Abenteuerland hat bei Stoppok natürlich nichts mit gleichnamigem Liedgut von Pur zu tun, sondern handelt von dem Mitläufertum in einer Gesellschaft, "wo der letzte Rest Verstand auf mysteriöse Weise verschwand". Der bereits erwähnte Titelsong w.e.l.l.n.e.s.s. ist dann halt typisch: Ein echter Blues, dreckige Gitarre, Soundspielereien, lustig, weil genau beobachtet und charakterisiert - die Geschichte von Pommes-Erwin und Wellness-Werner. Hier ist Stefan Stoppok ganz Handwerker mit Leidenschaft.

Das Booklet ist vorbildlich: Nach einer netten Einleitung folgt ein Report mit Namen und Daten, danach ein Line-Up für jeden Song, alle Songtexte mit Angabe des Entstehungsjahres und schließlich Fotos aus den Studio-Sessions. Wow - hier bekommt der Käufer, der nicht nur Hörer sein will, wirklich was für sein Geld.

W.e.l.l.n.e.s.s. ist ein solides, ernsthaftes & gutes Album, das den Deutschrock hochhält, mit unsentimentaler Tradition, wortgewandt & musikalisch hochwertig.

Line-Up:
Stefan Stoppok        - Gitarren, Banjo, Mandoline, Waldzither
Danny Dziuk        - Orgel, Klavier, Gesang
Mario Schulz        - Gitarren, Dobro, Gesang
Reggie Worthy        - Bass, Gesang
Thorsten Bender        - Schlagzeug

Regina Sommerfeld

Grundsound 09362 / Indigo-Vertrieb 2002