Blood & Honour macht als Combat 18 weiter
Trotz Verbot ist das internationale Musiknetzwerk in Deutschland aktiv
Quelle: ak-analyse+kritik

Über 50 Hausdurchsuchungen, sieben Festnahmen, drei Haftbefehle führte die schleswig-holsteinische Polizei bei ihrer Großaktion gegen organisierte Neonazis am 28. Oktober 2003 durch. Im Visier die ehemalige Kameradschaft Pinneberg, die offensichtlich unter dem Tarnnamen Combat 18 einen lokalen Ableger des internationalen Musiknetzwerkes Blood & Honour gegründet hatten. Nach Angaben des Landeskriminalamtes (LKA) Schleswig-Holstein wurden drei Jahre nach dem Verbot der Deutschen Division von Blood & Honour immer noch in großem Stil illegale CDs vertrieben und rechte CD-Händler erpresst, die Organisation finanziell zu unterstützen. Bei Mitgliedern der Gruppe wurden Waffen gefunden. In den Waffenhandel soll der bis vor wenigen Wochen amtierende NPD-Landesvorsitzende Peter Borchert verwickelt gewesen sein.

Borchert soll Waffen an- und verkauft haben, die von einem Mitarbeiter des schleswig-holsteinischen Waffenproduzenten Sauer aus der Produktion entwendet und auch ins Rotlichtmilieu verkauft worden seien. Die Ermittlungen, so das LKA, seien zunächst parallel und unabhängig voneinander geführt worden. Erst nachdem sich gezeigt habe, dass Borchert Waffen auch an die Pinneberger Gruppe verkauft habe, seien die Ermittlungen zusammengelegt und die Leitung der Ermittlungen wegen des Vorliegens eines Staatsschutzdelikts an die für solche Straftaten zuständige Flensburger Staatsanwaltschaft übertragen worden.

"Es war ein wichtiger Erfolg gegen eine äußerst militante und gefährliche Gruppe", betonte der schleswig-holsteinische Innenminister Klaus Buß (SPD) auf einer eilig einberufenen Pressekonferenz. Er rühmte sich, bei einer kriminellen politischen Organisation sei noch nie ein so frühzeitiger Zugriff erfolgt. Ziel sei gewesen, die Aktivitäten der verbotenen Organisation Blood & Honour fortzusetzen. Durch die Präsentation eines Holzschildes, auf dem über einem Totenkopf das Emblem Combat 18 dargestellt ist, und durch den Hinweis auf eine angeblich gefundene Vereinskasse, verwies das LKA im Übrigen auf den englischen Vorläufer der Gruppe.

"Combat 18 muss als ...

Die Ursprünge der englischen Organisation Combat 18 gehen auf die Entwicklungen innerhalb Blood & Honour nach dem Unfalltod des Gründers Ian Stuart Donaldson zurück. Stuart hatte Blood & Honour als Zusammenschluss von neonazistischen Musikgruppen, Produzenten und Vertrieben gegründet, um sie stärker in die aktive politische Tätigkeit einzubinden. Zunächst noch Teil der National Front, spaltete sich Blood & Honour schon bald von dieser ab und entwickelte ein eigenes, über die Grenzen zum kontinentalen Europa reichendes Netzwerk. Nach dem Tod der Nazi-Ikone Stuart entflammten in dem Netzwerk harte Auseinandersetzungen. Unter der Führung des lokalen Neonaziführers und Kleinkriminellen Charlie Sargent, der im Übrigen für den britischen Geheimdienst arbeitete, entwickelte sich in der Folge die Gruppe Combat 18 zu einer Art bewaffneter Schutz- und Geldeintreibertruppe von Blood & Honour: Ziel dieser Truppe war es, die verschiedenen Bands, insbesondere aber die Vertriebe, die ja das für die politische Arbeit benötigte Geld hereinbrachten, bei der Stange zu halten.

Combat 18 wurde zunehmend zu einem Synonym für entfesselte Gewalt. In den 1990er Jahren betätigte sich die Gruppe in der Öffentlichkeit nicht länger nur als Neonazi-Schlägertruppe, sondern auch als Terrorgruppe. Beispielsweise wurde im Rahmen einer längeren Auseinandersetzung mit konkurrierenden Musikvertrieben in England und Schweden eine Gruppe dänischer Anhänger dazu angestiftet, mehrere Briefbomben zu bauen und zu verschicken. Die Gruppe wurde gefasst. Combat 18 zerfiel, nachdem die Entlarvung von Sargent als Spitzel zu gegenseitigen Morden bzw. Mordversuchen geführt hatte. Heute ist Combat 18 in England kaum mehr existent.

der bewaffnete Arm ...

Doch ihr Ruf eilt ihr immer noch voraus. Dazu beigetragen hat nicht unwesentlich die schwedische Blood & Honour-Sektion, die seit einigen Jahren den entsprechenden ideologischen Überbau liefert. Unter dem Pseudonym "Max Hammer" präsentierte Blood & Honour Scandinavia eine Fieldbook genannte Anleitung, in der Combat 18 als bewaffneter Arm von Blood & Honour definiert wird. Ideologisch wird dabei Bezug genommen auf die in den USA verbreiteten Aufrufe zur Leaderless Resistance. Propagiert wird der bewaffnete Rassenkampf, in dem zunächst das so genannte zionistische Besatzungsregime beseitigt werden müsse, bevor die White Power ihr Glück finden kann. Diese neofaschistische Ideologie hatte bereits zur Gründung von Blood & Honour in England Resonanz gefunden. Dass sie sich auch in Deutschland mehr und mehr verbreiten kann, obwohl die deutsche Neonazi-Szene seit Jahrzehnten zumindest vordergründig sehr legalistisch am Projekt "Kampf um die Straße, Kampf um die Köpfe, politischer Kampf um die Wiederzulassung der NSDAP" arbeitet, zeigt zweierlei: Die führenden Nazi-Kader haben begriffen, dass der Rechtsrock ihnen den Zugang zu einer breiten Masse potenzieller AnsprechpartnerInnen liefert. Rechtsrock ist Teil eines integrationsfähigen Lebenskonzeptes, zu dem Symbole, Life-Style, Mode und ein Lebensgefühl gehören. Zudem liefert die aus den USA importierte White-Power-Rassenkampf-Ideologie geeignete Bilder und Stimmungen. Der offen präsentierte Gewalthype, der sich einerseits in erheblichem Waffenfetischismus und andererseits in der positiven Bezugnahme auf Holocaust und rassistisch motivierte Gewaltfantasien äußert, dekoriert die Begleitmusik zu Mord und Totschlag.

Andererseits verfügt die militante Neonazi-Szene heute über eine deutlich größere Integrationsfähigkeit als noch vor 15 Jahren. Die Verwendung von Styles und Inhalten, die eigentlich dem Selbstbild entgegenstehen, bereitet heute keinerlei Schwierigkeiten mehr. Im Gegenteil: Die deutsche Rechtsrockszene zeigt sich unglaublich offen für die Adaption bisher von links besetzter Styles: Hardcore wird als Hatecore adaptiert, Dark Wave, der seinen Ursprung bei Bands wie The Cure hat, wird längst von rechten Bands mitgeprägt, Satanismus findet im Black Metal den Schulterschluss mit denjenigen Kameraden, die eigentlich am liebsten zum rechten Liedermacher Frank Rennicke schunkeln.
Der angebliche Anführer der nun von der Polizei ausgehobenen Pinneberger Combat-18-Gruppe ist Klemens Otto. Otto stammt aus dem Umfeld des verbotenen Hamburger Sturms. Unter dem Einfluss von Christian Worch und Thomas Wulff wurde im Rahmen dieser Organisation seit Ende der 1990er Jahre zahlreiche neue Kader aufgebaut, darunter z.B. Tobias Thießen (jetzt Aktionsbüro Nord), Torben Klebe (verurteilt wegen Beteiligung am Handel mit verbotenen CDs) oder Jan Steffen Holthusen. Auch Peter Borchert entwickelte sich in diesem politischen Umfeld zum Dauerredner auf Demonstrationen der Freien Kameradschaften. Phasenweise fungierte Borchert als Sprecher des Neumünsteraner Club 88 und war auch im Rahmen von Konzertveranstaltungen, die dem Blood & Honour-Netzwerk zugerechnet werden, als Mitveranstalter aufgetreten.

Bereits im Jahr 2000 machte Klemens Otto, mit seiner nach Hamburger Vorbild Pinneberger Sturm bzw. später Kameradschaft Pinneberg genannten Gruppe durch regelmäßige gewalttätige Übergriffe von sich reden. Trotz zwischenzeitlicher Inhaftierung Ottos gelang es der Gruppe in den Jahren 2000 bis 2001, ein Klima von Angst und Schrecken in der Region zu verbreiten. Überfälle, Anschläge und offene Morddrohungen waren an der Tagesordnung. Ende 2001 ließen diese Aktivitäten von Seiten der Kameradschaft Pinneberg nach; die Protagonisten verschwanden mehr und mehr aus dem Blick der Öffentlichkeit. Otto zog nach Neumünster und nahm dort eine Arbeit in einem Tätowierstudio auf, andere Neonazi-Aktivisten ließen sich die Haare wachsen und kleideten sich unauffällig. Politische Aktivitäten wurden nun zunehmend von einer durch andere "Kameraden" gegründeten Kameradschaft Elbmarsch durchgeführt. Zu diesem Zeitpunkt war die Kameradschaft Pinneberg bereits bei Drohungen und durch Schmierereien unter den Namen Combat 18 aufgetreten. Nach Angaben des LKA Kiel war auch der als zweiter Mann festgenommene Marco H. an kriminellen Handlungen der Kameradschaft Pinneberg beteiligt und gemeinsam mit Klemens Otto für Blood & Honour aktiv.

Aktivitäten des Blood & Honour-Netzwerkes wurden vor, während und nach dem Verbot der Organisation im September 2000 ungestört durchgeführt, der CD-Handel praktisch ohne Unterbrechung fortgesetzt. So fand beispielsweise im Februar 2001 in Hamburg ein Konzert statt, das mit großer Wahrscheinlichkeit von und für Blood & Honour-Strukturen organisiert wurde. Im April 2001 sollte in Kiel ein Konzert durchgeführt werden, bei dem - nach Angaben der Kieler Polizei - die Band Kraftschlag anlässlich der Haftentlassung ihres Sängers Jens Uwe Arpe spielen sollte. Das Konzert wurde jedoch von der Stadt Kiel verboten. Kraftschlag stammt ursprünglich aus Itzehoe. Die Band verfügt seit je her über beste Kontakte zu Blood & Honour Skandinavia. Arpe beteiligte sich an der Erstellung der Blood & Honour-Verkaufsvideos Kriegsberichter, die an Widerwärtigkeit und Volksverhetzung kaum zu überbieten sind. Konzertveranstaltungen fanden auch im Club 88 in Neumünster statt.

Nicht alleine angesichts der mageren Funde (vier Faustfeuerwaffen und zwei Schrotflinten) bei der polizeilichen Großaktion darf bezweifelt werden, dass hier eine keimende Terrorzelle ausgehoben wurde. Zwar spielen seit Jahrzehnten Waffen in der militanten rechten Szene eine große Rolle, tatsächlich gibt es aber momentan keinen Anhaltspunkt dafür, dass terroristische Aktivitäten gegen vermeintliche oder tatsächliche politische GegnerInnen geplant sind. Sprengstoffanschläge wie auf das Grab des ehemaligen Vorsitzenden des Zentralrats der Juden, Galinski, auf die Ausstellungsräume der Ausstellung Verbrechen der Wehrmacht in Saarbrücken oder auf einen Sendemast bei Lübeck bleiben eher vereinzelte Aktionen.

der Blood & Honour-Bewegung agieren"

Allerdings leben Gruppen wie Blood & Honour von ihrem Nimbus als Elite der härtesten Neonationalisten. Um dieses Selbstbild aufrechterhalten zu können, müssen sie sich mit dem von ihnen verwendeten und zur Schau gestellten Gewaltpotenzial von dem Rest der Szene absetzen. Der Umgang mit Waffen und der tatsächliche Einsatz von Gewalt - auch innerhalb der Szene - ist daher zwangsläufig. Dies dürfte auch schon deshalb notwendig sein, weil etliche Geschäftemacher wenig geneigt sind, freiwillig Teile ihrer Verkaufserlöse aus dem Rechtsrockvertrieb für die politische Arbeit zur Verfügung zu stellen. Während die Band Kraftschlag im vergangen Jahr noch die bürgerlichen Gerichte bemühte, um den angeblich nicht autorisierten Vertrieb einer CD durch einen kommerziellen Rechtsrockvertrieb zu untersagen, dürfte der entsprechende Besuch einer mehr oder weniger gut bewaffneten Truppe deutlich schneller zum gewünschten Ziel führen. Zumal beim Vertrieb von illegalen CDs und bei Vertrieben, die nur halblegal fungieren, legale Drohungen ohnehin von vornherein als wirkungslos ausscheiden.

Vor diesem Hintergrund muss die Gründung der Pinneberger Combat-18-Gruppe also vor allem als notwendige Fortsetzung von Blood & Honour-Aktivitäten angesehen werden. Die Landespolizei dürfte allerdings Schwierigkeiten bekommen, ihre großspurigen Erfolgsmeldungen auch in Verurteilungen umzusetzen zu können: Da bis heute vom Bundesinnenministerium behauptet wird, Blood & Honour sei mit dem Verbot im Jahr 2000 zerschlagen worden, müssen die Ermittlungen auf die konkrete Durchführung und Planung von Gewalttaten, den lokalen Handel mit CDs und den Waffenbesitz/-handel beschränkt bleiben. Ermittlungen, die die bundesweiten und internationalen Aktivitäten ins Visier nehmen, sind offensichtlich nicht erwünscht.

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