Nation und Pop
Konzertverbote im Leipziger Conne Island häufen sich
aus: ak, analyse+kritik Nr 480
Das Leipziger alternative Veranstaltungszentrum Conne Island (CeeIeh) (1) hat im Januar das Konzert von Rubberslime abgesagt. Rubberslime gilt quasi als Nachfolgeband von Slime, immerhin ist Gitarrist und Sänger Elf mit am Start. Anlass für das Auftrittsverbot ist eine Neufassung des Songs Yankees raus, in dem die Band die US-Politik immer wieder mit Nazi-Deutschland vergleicht, z.B. mit der Parole USA - "Weltpolizei - SA/SS". (2)

Dies ist nicht das erste Konzert, das die VeranstalterInnen des CeeIeh absagen. Kurz vorher wurde die Hauptstadt-Band Mia ausgeladen. (3) Begründung war, dass die Band in dem Song "Was es ist" ihr neues Verhältnis zu Deutschland entdeckt, in dem sich Mia im eigenen Land "nicht mehr fremd" fühlt und ein "neues deutsches Land" betritt. Im Herbst - ak berichtete - scheitere bereits der Auftritt von Fink am Bagdad Blues, der dem CeeIeh antiamerikanisch dünkte. Verharmlosung des Nationalsozialismus, Deutschtümelei und Antiamerikanismus - dies sind die Vorwürfe, mit denen nahezu automatisch auch der Antisemitismus-Verdacht transportiert wird. Weitere KünstlerInnen wie Mellow Mark stehen bereits - ließt man die aus dem Haus Conne Island stammenden Texte - ebenfalls auf der Liste.

Seit spätestens Anfang der 1990er Jahre läuft nicht nur im CeeIeh die Debatte um Pop und Nation. Sei es die Deutschwerdung des HipHops, die Quotenforderung eines Heinz-Rudolf-Kunzes, die Debatten um das Leipziger Festival "Neue Beiträge zur deutschen Popkultur" im Jahr 2000, die positive Bezugnahme zahlreicher deutscher KünstlerInnen auf die regierungsamtliche rot-grüne Irak-Politik oder auch die Aneignung von Rockmusik durch Nazi-Bands (siehe ak 478), um nur einige Stationen zu nennen. So richtig und wichtig die Debatten um die genannten Themen sind, kann man sich doch des Eindrucks nicht erwehren, dass die BetreiberInnen des CeeIeh über das Ziel hinausschießen. In der Begründung für die Absage des Rubberslime-Konzertes wird einleitend unter anderem moniert, dass "es seit über einem Jahr allgemein üblich (geworden ist) ,Fuck Bush` von der Bühne zu schreien". Gleichzeitig verweisen die CeeIehs darauf, dass sie den "Unmut" ihrer Umgebung auf sich gezogen hätten, in dem sie auf den niedermetzelnden Saddam Hussein hingewiesen hätten. Also klar: Wer nicht gegen Saddam, aber gegen Bush grölt, muss ergo antiamerikanisch sein.

Verlängert man diese Logik der CeeIehs, dann kann es sogar noch schlimmer kommen: Denn Bush steht ja auch für den Schutz Israels und Saddam Hussein für die Feinde Israels. So sei also jede/r "Fuck-Bush"-GröhlerIn mindestens antisemitisch und könnte evtuell sogar Nazi sein. So blöd diese Parole auch sein mag - dass damit möglicherweise nichts anderes gemeint ist als ein Statement gegen die konkrete kapitalistische Politik der konkreten US-Administration und deren Anspruch, als Weltpolizei agieren zu dürfen, taucht in dieser Vorstellungswelt nicht auf.

Der Rubberslime-Song ist in der Tat eine Verharmlosung Nazi-Deutschlands. Punkt. Der Rettungsversuch von Elf ist lächerlich. (4) Auch Mia liegt mit der deutschen Heimfindung unter einer rot-grünen Regierung voll daneben. Keine Frage. Ob aber gleich ein Konzertverbot die Antwort sein muss? Vielleicht wäre ja ein Statement vor dem Konzert erheblich besser geeignet, derartige Probleme auf den Tisch zu bringen?

Irritierend aber ist, dass das CeeIeh keine Kritik an der US-Politik zuzulassen scheint. Bemerkenswerte Gründe, warum der Angriff der USA auf den Irak abzulehnen war und ist, gibt es für das CeeIeh scheinbar nicht - jedenfalls ist dazu in den zahlreichen Statements nichts zu finden. Und genau hier setzt das gravierende Unbehagen mit den Argumentationslinien und den Konsequenzen (Auftrittsverbote) an.

DSe, www.rock-links.de

Zahlreiche Texte und Statements des Conne Island finden sich auf: www.nadir.org/nadir/initiativ/ci/

Anmerkungen:
1) CeeIeh ist die offizielle, von ihnen benutzte Abkürzung für das Conne Island. Das dieses Kürzel stark an CIA erinnert, mag Zufall sein, muss aber nicht. Hier scheint es durchaus ein Kokettieren mit dem Kürzel des US-Geheimdienstes zu geben.
2) Schon im Mai 2003 führte der Song bei ATTAC zu einer heftigen Kontroverse. Ausführlich dazu im Internet: www.anis-online.de/pages/musik/Slime.htm. ATTAC entschloss sich, eine geplante Anti-Kriegs-Doppel-CD, auf der der Song enthalten sein sollte, nicht mit ihrem Logo zu zieren.
3) www.nadir.org/nadir/initiativ/ci/nf/104/16.html
4) Siehe Anmerkung 2