Antiamerikanismus und Popkultur in Deutschland


Veranstaltungsankündigung und Einleitung


    „Ja der weisse Mann aus Texas dreht den Teufel heut am Spieß“
    singen Peter Lohmayer & Fink im sog. Protestlied der Band

    „Weltweit US-amerikanisches Fast-Food Weltweit amerikanisches Gedankengut ... Die Völker sind verraten Von den Mörderstaaten“
    rappt Mellowmark in Weltweit

    „support old europe“
    fordern die Skater von Rollmops aus Halle auf ihren T-shirts, darüber die Fahne der USA aus deren Stripes Blut tropft

    Unterstützt unsere Bundesregierung im Kurs gegen die USA
    hatte sinngemäß D-Flame seine Fans aufgefordert

Antiamerikanismus, ein heißes Thema ohne Frage und die Aufmerksamkeit des geschätzten Publikums ist einem sicher. Leider wie so oft verebbte der anfangs so heftige Sturm der Entrüstung jedoch am Stammtisch in der Lieblingskneipe. Grund genug die Stellungnahme des Conne Island „No Antiamerikanismus – No Volksmusik“ noch mal auf ein Podium und damit ins Gedächtnis zu hieven. Denn bei aller Berechtigung der Stellungnahme sind Unverständnis und Fragen offen geblieben, denen den Wind aus den Segeln zu nehmen eine öffentliche „Papier-Release-Veranstaltung“ sicher beigetragen hätte. Dieses Versäumnis nachzuholen schicken wir uns am 02.12.2003, 19:00 Uhr an. Vorab soll an dieser Stelle die lange Gedankenkette, die hinter der formulierten Kritik steht, in wenigen Gliedern zusammengefasst werden, um Einstieg und Anregung zu geben.
Antiamerikanische Statements wie sie gegenwärtig in allen Sparten der Popmusik als Gebot der Stunde auftreten wurzeln tief in der deutschen Geschichte, die zunehmend auch zur Geschichte des old europe gemacht wird. An diesem Punkt, aus Angst der US amerikanischen Administration in die Hände zu spielen, die Augen zu verschließen heißt, den gegenwärtigen und hiesigen gesellschaftlichen Umständen blind gegenüberzutreten. Als vermeintlich legitime Kritik an US amerikanischer Politik auftretend, verbinden sich tagespolitische Geschehnisse mit scheinbar längst Geahntem. Die Unterscheidung zwischen den USA zugeschriebenen Phänomenen und der amerikanischen Realität wird dabei bewusst oder unbewusst unterlassen. Tagespolitik, Ressentiments und Halbwissen verdichten sich und werden auf die USA bzw. ihre Administration projiziert. Dieses Spiel wird gar soweit getrieben, dass einzelne negative Aspekte des Kapitalismus argumentativ aus ihrem Zusammenhang gelöst und auf die USA oder G. W. Bush projiziert werden. Vom entfesselten Raubtierkapitalismus der USA ist da die Rede, der dem angeblich besseren – sozial, ökologisch und entwicklungspolitisch gezähmt – in Deutschland und der EU entgegenstehen würde. Personalisiert erscheinen die im Kapitalismus produzierten Leiden so als das Werk eines G. W. Bush oder der USA.
Mit diesem argumentativen Kunstgriff erscheint die Globalisierung ökonomischen Liberalismus als Amerikanisierung. Als kulturelle Flanke gelten da Mc Donalds, Hollywood, MTV und CNN, als Belege für entwurzelten, entfremdeten Einfluss, kurz Amerikanisierung. Die USA als Repräsentant des „Kosmopolitischen“, das einst mit den Juden assoziiert wurde. Hier wird klar, weshalb Antiamerikanismus als Spielart des Antisemitismus gelten kann, besteht doch „mehr als nur eine kleine Überschneidung zwischen diesen beiden Sichtweisen. Angriffe auf die angloamerikanische Kultur – und besonders auf London, New York und Hollywood – waren in der Vergangenheit häufig eine vornehmer klingende Art Antisemitische Gefühle auszudrücken. [...] Antisemiten verbanden auf die gleiche Weise Juden mit Handel, wie Leute die Amerikaner als Menschen ansehen, die ‘alles auf Geld reduzieren’“.(1)
Ob bewusst oder unbewusst stellt sich popkultureller Antiamerikanismus – oft als legitime Kritik an der US amerikanischen Politik verstanden – in diese Tradition, ja schreibt diese gar fort.
Dabei galten Entwurzelung, das Aufgehen in selbstbestimmten Identitäten, kosmopolitische Ausrichtung und universelle Geltung vor noch nicht all zu langer Zeit als Richtwerte für Popkultur, hinter die nicht zurückgefallen werden durfte. „Pop meinte dabei den positiven Bezug auf ein kulturelles Gegenmodel, das sich von nationalen Kultursparten bewusst abgrenzte.“(2) Ein Modell das seine Wurzeln letztlich in der „kulturellen Inklusion [von] Immigranten verschiedenster Herkunft“(3), dem bewussten Bruch mit tradierten oder völkischen Kulturvorstellungen und deren massenkultureller Verbreitung sah. Diese Selbstverortung scheint inzwischen weitgehend aufgegeben. Trauriger Weise nicht zu Gunsten einer selbstreflexiven, ihrer Funktion und Vermittlung durch Konsum bewussten, kritischen Popkultur. Vielmehr wird das Heil in der Rückbesinnung auf national geerdete Kultur gesucht, gefunden und damit konzeptionell mehr, als nur ein unterscheidbares Marktsegment.
Begnügte sich D-Flame exemplarisch noch mit der Anrufung rot-grüner Regierungspolitik gegen die USA, so gehen Leute wie Mia weiter und meinen schwarz-rot-gold gekleidet, in der Abkehr von der deutschen Geschichte, „deutsch-sein“ neu bestimmen zu müssen. Es wird deutlich, dass die antiamerikanische Geste und dessen popkultureller Soundtrack nicht selbstzweckhaft funktioniert, sondern in den meisten Fällen ein Gegenmodel ausweist. Alternativ das des alten Europa oder der „deutschen Popkultur“.
Gegen Antiamerikanismus und dessen popkulturelles Gewand, als Projektion, gespeist aus aktueller Empörung, aber eben auch Kulturimperialismusthese, antisemitischen Argumentationsmustern, personalisierter Globalisierungskritik und als sinnstiftendes Moment und Negativfolie einer national geerdeten deutschen Popkultur bedarf es einer entsprechenden Intervention. Diese noch ausführlicher begründet zu sehen ist am 02.12.2003 ab 19:00 Uhr im Conne Island möglich.

Antiamerikanismus AG im Conne Island

Fußnoten:
(1) aus „Holocausterinnerung und Terror im globalen Zeitalter“ von Nathan Sznaider aus Politik und Zeitgeschichte (B 52-53/2001)
(2) aus „Deutsche Popkultur nach dem 11.September“ einem Referat aus der Reihe „Kritische Popkultur?!“ im Conne Island, veröffentlicht im CEE IEH #100
(3) aus „Kulturen der Welt – WeltKultur?“ von Claus Leggewie und AG SpoKK, www.spokk.de