Quelle: http://www.dds.nl/~n5m/content/tyrell/stephan.htm

Kulte und Subkulte

Von Stephan Gregory

"Man steigt nicht schon dadurch aus der Kultur aus, daß man sich die Analyse der Kultur und der kulturellen Interessen erspart." (Bourdieu)

Leben in der Subkultur heißt: außerhalb des Hochkultur-Apparats und seiner Verdienstmöglichkeiten Platz zu nehmen. Unsere Vorstellung von Bohème nährt sich von Malern, die nie ein Bild verkaufen, von Dichtern, die in schäbigen Hotelzimmer verhungern und von Musikern, die für eine Flasche Schnaps vor 15 Leuten spielen. Doch Bohème hat weniger etwas mit dem puren Faktum der Armut zu tun als mit einer ganz bestimmten Art, diese Armut zu ideologisieren und in Stolz zu verwandeln: Dem kleinlauten "Arm-aber-sauber" der gewöhnlichen Armut setzt sie ein trotziges "Dreckig-aber-genial" entgegen. In den bekannten Legenden vom unbekannten Maler oder verkannten Dichter sind künstlerische Produktivität und Echtheit des Empfindens an die prekäre ökonomische Situation geknüpft. So funktioniert der Armutsgürtel der Kultur als ihr Authentizitätsreservoir: aus der schöpferischen Ursuppe der subkulturellen Produktionen steigen die "Werke" empor, die schließlich im Verlauf ihrer Anerkennung als "Kultur" das bekannte Schicksal der ökonomischen und ideologischen Vereinnahmung erleiden. Auf dieser Dichotomie von (authentischer) Produktion und (ökonomischer) Aneignung beruht der gesamte kulturelle Mythos der Moderne: Primärprozeß vs. Aufzeichnung, Unbewußtes vs. Bewußtsein, Verausgabung vs. Ökonomie, Genie vs. Bürokrat, Subkultur vs. Mainstream.

Doch die Subkultur ist nicht nur die ärmere Verwandte der großen Kultur. Die Subkulturellen haben ihr Subkulturellsein immer auch als Dissidenz verstanden: Das Nicht-dazu-gehören wird zum stolzen Nicht-dazugehören-wollen. In den künstlerischen Manifesten der Moderne ist Subkultur der ausgesprochene oder unausgesprochene Kampfbegriff, der die Abgrenzung zur jeweils hegemonialen Kultur formuliert. Die Vorsilbe "sub" erhebt den Anspruch, sozusagen von den Fundamenten her die Erosion des herrschenden Überbaus zu betreiben: unterirdische Subversion des Systems der Gewohnheit. Wird diese Vorstellung politisiert, dann mündet sie in das Projekt der Gesellschaftsveränderung (Gegenkultur): Subkultur" als der letzte Ort, an dem eine andere Erfahrung eingeübt werden kann, Vorschein des besseren Lebens im schlechten. Ob als Strategie der "großen Weigerung" oder als Taktik der kleinen Fluchten, "Subkultur" ist hier der Name für die letzte antikapitalistische Bastion, das letzte Widerstandsnest gegen den totalen Verwertungszusammenhang.

Doch hat man bald bemerkt, daß die Dissidenz- oder Absetzbewegung der Subkulturen immer an "ihren" jeweiligen Hochkultur-Apparat geknüpft bleibt, dessen Beharrungskraft gerade darin besteht, sie sich partiell einzuverleiben. Die "Klugheit" eines Systems bestimmt sich geradezu dadurch, wie weit es in der Lage ist, von den Tendenzen Gebrauch zu machen, die es negieren. In diesem Sinn ist der Spätkapitalismus, weit entfernt davon, vor der Pluralisierung der Widersprüche in die Knie zu gehen, zweifellos die klügste der bekannten Herrschaftsformationen.

Es gibt also gute Gründe, ein bißchen streng zu sein mit dem Prinzip "Subkultur". Der heftigste Verdacht, der - meist von Subkulturellen - gegen die Subkultur ins Feld geführt wird, ist der einer bloßen Simulation des Widerstands: Wenn jede individuelle Regung "immer schon" dem verhängnisvollen Lauf des Kapitalprozesses unterworfen ist, dann sind auch die jugendkulturellen Manifestationen des Andersseins nur ornamentale Bereicherungen einer tendenziell totalitären Gesellschaftsmaschine, die jede oppositionelle Regung zu einem Moment ihres Funktionierens macht. Bisher hat sich jede kulturrevolutionäre Gruppe mit der Erkenntnis herumschlagen müssen, daß unter einem funktionalistischen Gesichtspunkt jede (sub-)kulturelle Produktion als systemimmanente Pazifizierung und Ausweitung perfider Integrationstechniken betrachtet werden kann: "Die ästhetischen Abfälle der Avantgarde wie Bilder, Filme, Gedichte usw. sind bereits erwünscht und wirkungslos [...] Darin sollen die Künstler die Rolle der früheren Hofnarren übernehmen, von der Gesellschaft bezahlt, ihr eine bestimmte kulturelle Freiheit vorzuspiegeln." (Gruppe SPUR: 95)

Das Abgrenzungsmanöver zwischen "Subkultur" und "Establishment" ist nur eine unter vielen Unterscheidungen auf dem politisch-kulturellen Feld, und möglicherweise eine, die mehr Auskunft gibt über das ideologisches Selbst-(Miß-)Verständnis der Kultur-ProduzentInnen, als über den Stellenwert einer bestimmten Praxis in der sozialen Auseinandersetzung. Einiges weist darauf hin, daß die "Subkultur" lediglich der Teil der Kultur ist, der sich seiner eigenen Stellung im Reproduktionszusammenhang des herrschenden Betriebs am wenigsten bewußt ist: Motor der kulturellen Erneuerung und Reservoir für die fortgeschrittensten Branchen des Spätkapitalismus. Am deutlichsten sind diese Integrationsmechanismen natürlich anhand ausgewählter biographischer Verläufe abzulesen: vom Punk zum Hallenbetreiber, vom Szene-Agitator zum Spiegel-Journalisten, vom Fanzinemacher zum Art director. Eine subkulturelle Sozialisation galt eine Zeitlang als gute Empfehlung für die sogenannten Kreativ-Jobs in der Medien-, Freizeit- und Werbeindustrie. Doch konnte sich der Authentizitätsbonus nicht ewig halten und so bleibt die Investition in eine subkulturelle Biographie eine unsichere Sache: Neben den wenigen, die's geschafft haben, mit aufsteigendem Kulturgut nach oben gespült zu werden, gibt es immer auch die, die den Wieder-Einstieg in die Gesellschaft der Frühaufsteher nicht schaffen und gezwungen sind, ein Leben am Rand des sozialen Minimums zu führen. Die Masse der Subkulturellen jedoch wird im Laufe des sogenannten Erwachsenwerdens sang- und klanglos von der gesellschaftlichen Normalität aufgesaugt, ohne von ihrer Teilhabe an einer Jugendkultur finanziell profitiert zu haben.

Der ökonomische Vorteil, mit dem die Subkultur lockt, besteht also weniger in der Spekulation auf eine künftige Karriere in der ökonomisch lohnenderen Unterhaltungsindustrie, sondern in dem "Distinktionsgewinn" (Bourdieu), den er jedem verschafft, der sich in den modischen Differenzierungen und Codes der Subkultur "auszukennen" beginnt. In kaum einer gesellschaftlichen Gruppe (abgesehen vielleicht von bestimmten Adelscliquen oder Horten des Bildungsbürgertums) wird so sehr auf die "feinen Unterschiede" in Kleidung, Auftreten, geschmacklichen Vorlieben und Abneigungen geachtet wie in den Dickichten der Subkultur. Die oft hermetische Abschottung gegen den mainstream zahlt sich zwar nicht unmittelbar finanziell aus, sie trägt jedoch zur Akkumulation von "kulturellem Kapital" bei. Kulturelles Kapital läßt sich einerseits unter Umständen in ökonomisches Kapital umsetzen (s.o.), vor allem aber hat es lebenspraktisch die Funktion, fehlendes finanzielles Kapital aufzuwiegen: "Ich bin auch ohne Auto zufrieden, ich hab ja meinen Stil, meine Bücher, meine Platten". Das ist wohl, neben dem puren Glück der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe, die Haupt-Gratifikation, die Subkulturen zu bieten haben: Bei bescheidenen Lebensumständen sich dennoch reich fühlen zu können aufgrund einer hochspezialisierten Form der "Bildung", bestimmter Fertigkeiten des "savoir vivre" und einer Vielzahl von Kontakten und Wahrnehmungsmöglichkeiten, die den "Normalbürgern" verschlossen sind. Diese Aufwertung des kulturellen Kapitals gegenüber dem materiellen Reichtum bringt nicht nur die bekannte quasi-aristokratische Geringschätzung für yuppieskes Gewinnstreben und bürgerlichen Wohlstand mit sich, sondern auf der anderen Seite auch die Verachtung der "Normalos", deren Leben sich in den Augen der Subkulturellen auf "Fressen, Ficken, Fernsehen" reduziert.

Jung sein, dagegen sein und die Musik dazu machen: daß Subkulturen "links" sein müssen im Sinn eines gesellschaftlich emanzipatorischen Projekts, ist eine Anschauung, die an die kulturpolitische Quasi-Hegemonie des antiautoritären Projekts in den sechziger und siebziger Jahren geknüpft war, und die erst mit dem Zusammenbruch dieser Vorherrschaft zweifelhaft zu werden beginnt ("Das Ende der Jugendkultur, - wie wir sie kennen", D. Diederichsen). Wenn Nazi-Rock (den gab es natürlich schon vor '89) und nationalistische Tendenzen in der Pop- oder Industrialmusik heute als manifeste Bedrohung und nicht mehr bloß als Abweichung von der subkulturellen Regel betrachtet werden, zeugt das auch davon, in welchem Maß "Subkultur" als gesellschaftsabgewandte Region betrachtet wurde, in die Linke nach ihrem Rückzug aus der Politik ihren Lebensabend zu verbringen gedachte, - vergleichbar gewissen Gegenden im bayerischen Alpenvorland, wo sich die reicheren Pensionäre ihre Eigentumswohnungen sichern. Mit dem Verlust der kulturellen Hegemonie geriet der Mythos "Subkultur" ins Wanken: das einst so hermetische und geheimnisreiche Subkultur-Gehege präsentiert sich jetzt als planiertes Gelände, das wie jede andere gesellschaftliche Region den Reproduktionsbedingungen des Kapitals unterworfen ist und von den herrschenden Ideologieströmen genauso durchquert wird wie Schule, Elternhaus oder Sportverein.

Zu den subkulturellen Ritualen gehört es, regelmäßig den Verrat zu beklagen: Die Sprünge der Subversion werden zu Purzelbäumen, die letztendlich nur den Freizeitmarkt bereichern und der Heroismus der Subkultur löst sich auf ins Flackern des MTV-Videos oder ins kunstmarkttauglich hingemalte Tafelbild. Vielleicht war es jedoch einfach der Fehler des subversionskundlichen Denkens, daß es das Versprechen der Subkulturen, der Kultur von außen an den Kragen zu gehen ("jetzt wird Subversion gemacht, uns kriegt ihr nie...") zu ernst nahm und regelmäßig enttäuscht war, wenn es sich nicht erfüllte. Wobei sich in die Enttäuschung über den "Verrat" des subkulturellen Anspruchs leicht die heimliche Befriedigung des Systemtheoretikers mischt, der ja schon immer gewußt hat, daß die kleinen Kulturrebellionen in der Fernsehshow oder in der Kunstgalerie enden.

Auf subkulturelle Authentizitätsbeteuerungen können keine Rabattmarken mehr ausgegeben werden. Um nicht immer wieder die Schwäche des subversiven Fleisches und die Tücke des Systems beklagen zu müssen, empfiehlt es sich, die Enttäuschung in Zukunft vorwegzunehmen und Subkultur einfach als als gewöhnliche Unterabteilung des ideologischen Staatsapparats "Kultur" zu führen. Daß die Subkultur den Stützstrumpf der kulturellen Behaglichkeit bildet und wie jeder andere Industriezweig den Gesetzlichkeiten der kapitalistischen Ökonomie unterliegt, muß nicht immer wieder verblüfft festgestellt werden, sondern bildet den Ausgangspunkt jeder subversionskundlichen Überlegung. Subkulturelle Produktionen wären dann zunächst einmal als Äußerungen innerhalb der Reproduktionslogik der herrschenden Kultur aufzufassen bzw. als als Affirmationen von "Lebensstilen" innerhalb des kapitalistischen Immanenzfeldes. Wenn die Dinge erst einmal so weit geklärt sind, kann man sich umsehen, was sich so tut im underground.

Subkulturen funktionieren durch die Affirmation von Unterschieden. Kleine Unterschiede vielleicht, aber immerhin solche, die ganze Welten bedeuten. Subkulturen errichten symbolische Teiluniversen, komplexe Ensembles von Verhaltens- und Lebensweisen, von Einstellungen und Geschmacksurteilen. Hier werden die verschiedenen Arten, Essen, Trinken und Sexualität zu organisieren, sich zu kleiden und sich zu amüsieren, zu Kriterien der Gruppenidentität. Die kann sich durch Technikeuphorie definieren (Konstruktivisten, Futuristen, cyberpunks, Techno) oder durch Naturnostalgie (Romantik, Hippies, Alternativbewegung), durch Esoterik (Symbolismus, Spiritismus) oder politische Agitation (Agit-Prop-Kunst, Situationismus, Dada), durch Konformismus (Popper) oder Nihilismus (Punk), durch Konsumismus (Mods) oder Asketismus (Reformkostler, straight edge), durch Authentizitätsversessenheit (grunge) oder Betonung von Künstlichkeit (Glitter, New Wave). In jedem Fall aber handelt es sich nicht um die Bildung von einheitlichen, geschlossenen Formationen, in denen jedes Detail das Ganze bestätigen würde, sondern um zusammengeworfene Haufen von ästhetischen Praktiken, politischen Einstellungen und Lebensstilen, die durchaus widerspüchlich sein können. Politische Orientierungen können sich mit verblüffend entgegengesetzten Gewohnheiten und Stilen paaren. Nicht nur bei Wandervögeln, Ökologiebewegung und Autonomen gehen sozialutopisch progressive und regressive Tendenzen seltsame Mischungen ein.

Nehmen wir zunächst probeweise eine unerbittlich subkulturkritische Haltung ein und betrachten den symbolischen Reichtum, den die Subkulturen durch unendliche Differenzierung und Verfeinerung produzieren (Sneakers gegen Springerstiefel, Bürstenschnitt gegen Rastalocken, rote Schnürsenkel gegen gelbe Schnürsenkel), so pessimistisch wie wir können: Die modischen Verschiedenheiten nur langweilige Variationen des ewig Gleichen, Sonderangebote im kapitalistischen Supermarkt der Identitäten, rebellische Verkleidungen des gehorsamen Staatsbürger-Subjekts. Die Gesten der Befreiung nur nutzlose und lächerliche Verrenkungen, die auf die Freizeitsphäre beschränkt bleiben. Am Montag wird wieder gearbeitet. Die Differenzen der Lebensstile nichts anderes als die übliche Streuung in der Produktpalette spätkapitalistischer Unterwerfungsmodelle. In 10 Jahren seid ihr alle Notare. Wie unterscheidet sich der Waver vom Raver, wenn nicht aufgrund einer engstirnigen Identitätslogik, von der man froh sein kann, daß sie sich in Worten wie "Szene" oder "community" und nicht in Begriffen der "Nation" ausdrückt? Usw. usf.

Die Matrix für solchen Subkulturpessimismus liefert immer noch Adorno. Am Jazz, den er musikalisch auf Marschtakt plus "Synkopentrick" reduziert, beeindruckt ihn vor allem die "musikalische Diktatur" der Unterhaltungsindustrie, die die Massen der totalitären Kontrolle unterwirft. Die (Pseudo-)individualität derer, die sich in der Jazz-Begeisterung für ihr "armes und bilderloses Dasein" entschädigen, verrät nur tiefste Standardisierung: "So sehr das Jazz-Subjekt, der Stellvertreter des Hörers in der Musik, sich als Sonderling aufführt, so wenig ist es doch es selber. Die individuellen Züge, die mit der Norm nicht übereinstimmen, sind von dieser geprägt, Male der Verstümmelung." (Adorno: 125). Da paßt es gut dazu, daß sich Jazz - deutsch ausgesprochen - auf "Hatz" reimt: Die ekstatischen jitterbug-Tänze erinnern Adorno an die Reflexbewegungen von Käfern und hinter dem parodistischen Überschwang des Jazz-Spiels sieht er den "tierische(n) Ernst von Gefolgschaften in totalitären Staaten". Der Jazz-Enthusiasmus, eine Pseudorebellion, die sich mit der "Bereitschaft zu blindem Parieren" verbindet: "In schwächlicher Rebellion sind sie schon wieder bereit zu ducken, ganz so wie der Jazz es ihnen vormacht, indem er Stolpern und Zufrühkommen mit dem kollektiven Marschschritt integriert." (Adorno: 127)

Solche Totalinterpretationen, denen noch den Haarschnitt der Musiker als Beleg für den kastriert-kastrierenden Charakter einer Subkultur gilt ("Wofür aber das abgeschnittene Haar einsteht, bedarf kaum der Erläuterung"), werden offensichtlich der Realität von Subkulturen und ihren vielfältigen Praktiken nicht gerecht. Und es ist durchaus erfreulich, daß sich heute nicht so schnell ein beleidigter Kulturkritiker finden würde, der einen Generalangriff z.B. auf die Technokultur unternehmen wollte, obwohl die ja dem bildungsbürgerlichen Entsetzen eine ganze Reihe von Anhaltspunkten bieten würde.

Eine neue Besichtigung des subkulturellen Terrains wird sich jenseits pauschaler Verdammungen auf die Praktiken konzentrieren, die zu retten und zu erweitern wären: Welche Wirkungen erzeugt eine Handlung, wie verbindet sie sich mit anderen Praktiken, wie wirkt sie auf andere gesellschaftliche Register ein oder läßt sich von ihnen beeinflussen? Es ist nicht die reine Logik der kulturellen Innovation, sondern die politische Situation, die darüber entscheidet, ob heute noch "geht", was gestern subversiv war. Das Revolutionäre oder Provokante von einst kann das Reaktionäre oder Abgeschmackte von heute sein: "Provokationsformen, die sich im 'Erschrecken des Bürgers' erschöpfen, oder solche, die das vermeintlich Verdrängte des bürgerlichen Bewußtseins beim Namen nennen wollen, sind ausgelaufen, weil sich nun dieses Verdrängte, beispielsweise der Rassismus, ja selbst zeugt. Weder 'Hosen-runter'-Aktionen, noch 'Heil-Hitler'-Rufe in einer Gaststätte sind heute adäquat. Sie befinden sich ja in Übereinstimmung mit der bürgerlichen Stimmung." (Weibel)

Subkulturen sind, wie die anderen ideologischen Staatsapparate auch, Subjektivierungsagenturen, die den Leuten bestimmte Identitätspositionen zuweisen. Schlimm genug, könnte man sagen, daß auch die Subkulturen noch an der Produktion von Subjekten und Identitäten mitwirken, aber deshalb sollte man nicht gleich entrüstet das Feld verlassen. Denn es ist immerhin nicht ganz uninteressant, inwiefern sich diese Subjektproduktion von der in Schule, Betrieb oder Kaserne unterscheidet und von welchen Kräfteverhältnissen sie bestimmt wird. Selbst wenn man feststellt, daß Fernsehen insgesamt böse ist, macht es immer noch einen Unterschied, welches Fernsehprogramm man sich ansieht und wie es rezipiert/ kommentiert wird. Das Gleiche gilt für die Subkulturen. Für die Politik des Alltags ist es keineswegs gleichgültig, welche Bilder wir konsumieren, mit wem wir uns zusammentun, was wir genießen, was wir witzig finden und was nicht. Da bestätigt sich dann wieder Spinozas Einsicht, daß der Spaß ein politischer ist.

Literatur:

- Theodor W. Adorno: Zeitlose Mode. Zum Jazz. In: Prismen. Kulturkritik und Gesellschaft. Frankfurt/ Main 1976

- Manifest der Gruppe SPUR, 1961, zit. nach: Galerie van de Loo: Gruppe SPUR, München 1988.

- Peter Weibel: Medienkunst, Gewalt, Staat und Subversion. In: Symptome Nr. 12, Essen 1993